Ehe auf krummen Beinen
fing es an zu ziehen, und die Ohren zitterten mir.
Neben ihr stolzierte würdigen Schrittes ein älterer Dackelherr.
Ihr Vater vermutlich. Sein Bart schimmerte schon silbern, und Besonnenheit lag auf seinen Zügen. Mit der Figur würde er keinen Preis mehr gewinnen, aber sein Fell war lang und ohne Tadel. Er gefiel mir, denn trotz der vorbildlichen Haltung war in seinen Augen eine versteckte verschmitzte Fröhlichkeit, als wäre er ununterbrochen bereit zu jedem Unsinn, dürfte es nur nicht zeigen. Später stellte sich heraus, daß ich recht damit hatte.
Begleitet waren Vater und Tochter von einem wahrhaft majestätischen Mann. Er ging drei Meter hinter ihnen her, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und blies aus einem Balken von Zigarre dichte Wolken in die Natur. Er trug ein grünes Jägergewand, dicke Strümpfe über beachtlichen Waden, auf dem Kopf einen Waidmannsheilhut. Im Gesicht hatte er Narben, als wäre er durch ein Schaufenster gefallen, und darunter hing ein schöner Bart auf die Brust herab. Sicher war er der Besitzer meines künftigen Glückes. Man würde behutsam mit ihm umgehen müssen, auch wenn er Dackel gern hatte.
Ich begann, in unauffälliger Manier auf mich aufmerksam zu machen. Ich startete, sauste über den Rasen, dann über den Weg und schnitt die Kurve so scharf vor Vater und Tochter, daß ihnen der Sand ins Gesicht spritzte. Mit dem nächsten Anlauf setzte ich elegant über sie hinweg, und anschließend flitzte ich in engen Kreisen um sie herum. Es fruchtete nichts. Sie mußten vortrefflich erzogen sein. Sie nahmen keinerlei Notiz von mir und meinen Leistungen.
Natürlich ist es nicht einfach, auf der Straße die Bekanntschaft eines Mädchens zu machen. Eine Dame muß auf sich halten. Aber dieses Benehmen verdroß mich. Schließlich war ich ebenbürtig und von Adel. Sie taten so, als hätte der Prinzregent persönlich sie gezüchtet.
Ich hörte mit dem Kreisen auf und trippelte neben dem Mädchen her, als gehörte ich zur Familie. Dabei schielte ich sie freundlich von der Seite an. Als immer noch nichts erfolgte, winselte ich leise und herzzerreißend.
Zum ersten Male wandte sie kurz den Kopf mit den großen Augen in dem hellen Fell. Mir wurden die Knie weich. Ihr Blick war vorwurfsvoll, als wollte sie ausdrücken, welche Beleidigung es für sie sei, in dieser Form belästigt zu werden. Trotzdem war es der schönste Blick, den ich je eingefangen hatte. Ich wollte sie gerade sanft hinters Ohr küssen. Da erscholl eine Stimme hinter mir wie eine Posaune.
«Entweiche augenblicklich, Untier!»
Es war der bärtige Jäger. Ich erschrak und scherte zur Seite aus. Er stand auf und warf mir über die Zigarre einen Blick zu wie ein Schrotschuß.
«Benehmen wie die Axt im Walde!»
Nach dieser Feststellung schritt er weiter. Ich wartete ängstlich, bis Dan und Eva herankamen. Der Dackelvater hatte überhaupt nicht reagiert. Er schlenderte geradeaus, als wäre er allein auf der Welt.
Also bis jetzt war es noch nichts. Glatt abfahren lassen hatten sie mich. Immerhin, ganz umsonst war der Einsatz nicht gewesen. Sie hatte mich gesehen. Man muß erst mal erreichen, daß die Mädchen einen registrieren, sagt Dan immer. Neugierig werden sie dann von allein. Wenn sie auch so tun, als wäre man verdünnte Luft, irgendein Eindruck bleibt immer. Und wenn es ein schlechter ist.
Ich guckte wie ein Luchs hinter ihnen her, um zu erfahren, wo sie hingingen. Sie bogen nach rechts in einen Nebenweg ein. In angemessenem Abstand und mit halber Fahrt zog ich mit. Die Dackel wurden ab und zu durch das Gras verdeckt, aber der Herr war nicht zu übersehen. Ihr Weg endete an einer Villa, die den Anlagen gegenüber an der Parkstraße lag. Ich hatte sie schon oft gesehen, aber nie gewußt, welchen Schatz sie barg. Herr und Hunde verschwanden hinter dem eisernen Gatter. Weg waren sie. Ich blieb mit der Liebe allein.
In der Nacht überlegte ich, was man tun könnte. Eine Festung ist da, um genommen zu werden. Wer wagt, gewinnt, oder bekommt Prügel.
Am nächsten Abend spähte ich vergebens nach meiner Angebeteten. Sie kam nicht, nicht ihr Vater und nicht der wilde Jäger. Dafür gelang es mir, Eva und Dan auf den Nebenweg mitzukriegen. Ich bog einfach ein und lief weiter. Dan pfiff, aber ich war völlig taub. Hier ging es um mein Glück. Schließlich kamen sie hinter mir her, um mich nicht zu verlieren. Ich sprintete schnell zwischen zwei Autos über die Straße. Von nahem sah die Burg nicht gefährlich aus.
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