Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
die das Auge beruhigen, Bänke, die zum Verweilen einladen, alles eingerahmt von Stauden, Gräsern, seltenen Gehölzen und vielen verschiedenen Bambussorten, zum Teil in stilechten Kübeln. Geschwungene Wege verlaufen durch die Bepflanzung, Stege führen übers Wasser, eine leuchtend rot lackierte Brücke führt auf eine Insel, auf der das Prunkstück des Gartens steht: ein Pavillon aus Zedernholz mit Pagodendach.
Damit es schon im ersten Jahr etwas zu gucken gibt, hat Gilbert ungefähr fünfhundert Lilienzwiebeln »organisiert«, die wir im zeitigen Frühjahr – als ich mich noch bücken konnte – überall dort eingebuddelt haben, wo es uns noch ein wenig kahl erschien.
Das Ergebnis war überwältigend. Sogar Betty, die kohlenmonoxidsüchtige Stadtpflanze, hat nach einem Rundgang nur halb im Scherz gefragt, ob der Pagodenpavillon denn nicht zu mieten sei. Sie könne sich durchaus vorstellen, für immer hierzubleiben und den vorbeigaukelnden Schmetterlingen nachzusehen. Wenn der Garten im ersten Jahr schon solche Eindrücke hinterlässt, wie wird er dann erst in zehn Jahren wirken? Gilbert ist zuversichtlich, dass sich die Gartenzeitschriften schon vorher um einen Fototermin reißen werden.
»Ein Garten ist ein letzter Abglanz vom verlorenen Paradies«,sagt er träumerisch, wenn man ihn wegen seiner Arbeit lobt. Ich bin mir sicher, dass er das irgendwo geklaut hat, wie so viele andere Dinge. Aber das Zitat trifft wirklich ganz besonders auf unseren Garten zu.
Mein persönlicher Lieblingsplatz ist da, wo früher Opas Johannisbeersträucher standen, ein kleines, halbrundes Kiesfeld am Ausläufer eines Teiches, wo Libellen zwischen den Rohrkolben und Zebrasimsen herumschwirren. Hier steht eine japanische Hängelärche mit blaugrünen Nadeln, die leider noch zehn oder zwanzig Jahre brauchen wird, um so malerisch auszusehen, wie Gilbert es vorgesehen hat. Einstweilen sorgen runde Findlinge, niedrig wachsende Samthortensien, eine duftende Kolkwitzie und Unmengen von exotischen Iriszüchtungen dafür, dass es etwas zu gucken gibt, wenn man auf der Bank sitzt, die Gilbert selber gezimmert hat. Die Bedeutung der japanischen Schriftzeichen, die Gilbert in die Rückenlehne geschnitzt hat, lautet Tote Katze, denn hier ist auch das Grab der Hagen’schen Glückskatze. Die Bank ist flankiert von zwei Drachenskulpturen aus verwittertem Beton, deren Beschaffung bisher Gilberts großes Geheimnis geblieben ist.
Das Einzige, was hier nicht japanisch aussieht, sind die Jungstiere von Bauer Bosbach, die ihre Köpfe manchmal neugierig über den Weidezaundraht strecken.
Dass unser Garten etwas Besonderes ist, hat sich schnell herumgesprochen. Die Leute kommen unter allen möglichen Vorwänden, um ihn sich anzugucken. An manchen Tagen ist so viel Besuch da, dass Onkel Harry, der überall das große Geschäft wittert, schon vorgeschlagen hat, Eintrittsgeld zu erheben. Er hat sich auch als Manager angeboten, gegen eine kleine, unbescheideneProvision. Meine Mutter hat abgelehnt. Auch sein Vorschlag, eine Imbissbude und ein Karussell aufzustellen, fand keine Gnade vor ihren Augen.
Eine besondere Attraktion vor allem für die Kinder sind die fetten, bunten Japankois, die sich dutzendweise im Wasser tummeln. Sie sind so zahm, dass sie sich sogar streicheln lassen. Sie wohnen im tiefsten und größten Teich rings um die Pagodeninsel, zusammen mit Goldfischen und silbrig schimmernden Shibunkins, alle direkt vom Züchter geklaut. In die anderen Teiche hat Gilbert keine Fische eingesetzt, damit hier Frösche, Kröten, Lurche und Molche heimisch werden können.
Ich habe Mama vorgeschlagen, zum Amüsement der Leute noch ein paar dekorative Pfauen und Schwäne im Garten zu halten, aber Gilbert meint, das wäre dann mehr Versaille als Japan und meine Mutter solle nur nicht auf mich hören.
» All Morgen ist ganz frisch und neu «, singt der Chor. Wie immer sind die Männerstimmen äußerst dünn besetzt. Eine Zeit lang nach Martin Heinzelmanns geheimnisumwittertem Verschwinden haben sie sogar ganz ohne Bassstimme auskommen müssen. Aber seit ein paar Wochen gibt es gleich zwei Neuzugänge, einen netten Witwer namens Frodewin Vögeler, der neu in Jahnsberg ist, und einen Überläufer aus dem katholischen Kirchenchor, der nicht damit leben kann, dass der katholische Chor von einer Frau geleitet wird.
Der nette Witwer mit dem unanständigen Namen hat sich ein wenig mit meiner Mutter angefreundet. Er hat endlich den klemmenden Fensterladen im
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