Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Esszimmer repariert, und er spielt sogar Golf. Ich hätte nichts dagegen, wenn aus den beiden ein Paar würde. Aber meineMutter hat ein solches Ansinnen weit von sich gewiesen. Sie sei schließlich noch kein Jahr Witwe, da sei es wohl zu früh, um schon an einen neuen Partner zu denken. Außerdem könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, etwas mit einem Mann anzufangen, der Frodewin Vögeler heiße. Gilbert meint zwar, es gebe schlimmere Namen – er habe zum Beispiel von einer Frau namens Wilma Ficken gelesen, die ständig Anrufe von Leuten erhielte, die »Ich auch« in den Hörer brüllten –, aber meine Mutter bleibt eisern.
Ich habe in meinem Namensbuch nachgesehen und gelesen, dass Frodewin aus dem Althochdeutschen kommt und »Der gute Freund« heißt. Ich finde die Vorstellung tröstlich, dass meine Mutter einen guten Freund zum Nachbarn hat, wenn ich nicht mehr hier bin.
Frodewin Vögeler hat das Haus der Quirrenbergs gekauft. Nachdem Irmi Quirrenberg verschwunden und abzusehen war, dass sie nicht zurückkehrt, ist ihr Mann Georg nämlich in ein Pflegeheim gekommen. Seine Kinder haben das Haus verkauft, angeblich, um die enormen Pflegekosten bestreiten zu können. Carola Heinzelmann, die Georg Quirrenberg regelmäßig besucht, sagt, es gehe ihm dort besser als zu Hause und er vermisse Irmi überhaupt nicht.
Carola selber scheint es ebenfalls besser zu gehen, als die Umstände es vermuten lassen würden. Die Ärmste hat es wirklich knüppeldick getroffen. Denn nicht nur, dass ihr Mann sie Hals über Kopf verlassen hat, um mit Irmi durchzubrennen – Carola ist auch noch schwanger gewesen!
Die ganze Gemeinde ist empört über Martin Heinzelmanns rücksichtsloses Verhalten: seine schwangere Frausitzen zu lassen und sich sogar um den Unterhalt des gemeinsamen Kindes zu drücken! Nur Gilbert und ich fragen uns manchmal, ob das Kind wohl Ähnlichkeit mit Pfarrer Hoffmann haben wird.
Ich wünsche Carola natürlich alles Gute, aber ich hoffe auch, dass Martin Heinzelmann und Irmi Quirrenberg es sich irgendwo auf dieser Welt gut gehen lassen. Sie haben es beide verdient.
Gerüchte sagen, die beiden hätten sich von der Abfindesumme von Martins Firma eine alte Finca auf Ibiza gekauft, wo sie Zitrusfrüchte und Kräuter anbauten und Lebenshilfeseminare anböten. Metzger Güntershoff erzählt jedem, dem er seinen gekochten Schinken aufschwatzt, er habe Martin und Irmi bei seinem letzten Ibizaurlaub gesehen und sogar mit ihnen gesprochen. Braun gebrannt und kaum wiederzuerkennen seien sie gewesen, und sie hätten sich Frieder und Marlene genannt. Aber ihn, Metzger Güntershoff, hätten sie damit nicht hinters Licht führen können …
Alle Leute haben Mitleid mit Carola, sie wird mit Zuneigung und Hilfsangeboten nur so überschüttet. Ganz Jahnsberg bietet sich an, den Babysitter zu spielen, wenn das Baby nur erst da ist. Rüdiger Hagen hat ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht und angeboten, das Kind zu adoptieren, aber Carola hat dankend abgelehnt.
Der Geburtstermin ist seit zwei Tagen überschritten, und Carola hebt sich in ihrem (übrigens von mir geerbten) Schwangerschaftskleid vom schwarz-weißen Kirchenchor ab wie ein buntes Osterei.
» Behüt uns Herr, vor Ärgernis, vor Blindheit und vor aller Schand «, singt sie voller Inbrunst. » Und beut uns Tag und Nacht dein Hand .«
»Beut?«, wiederholt Betty flüsternd. »Das ist ja ein tolles Wort. Schade, dass es so in Vergessenheit geraten ist. Beut mir mal ein Taschentuch rüber. Ich glaube, mein Heuschnupfen ist wieder da. Kein Wunder, bei dem vielen Grünzeug hier.«
Ich schiebe ihr ein Paket Tempos hinüber und sehe voller Neid, wie perfekt Carolas Teint ist. Sie ist eine der Schwangeren, die man als Modell für einen dieser »Schön-und-straff-und-gut-organisiert-bis-in-den-neunten-Monat-Artikel« in Eltern-Zeitschriften engagieren könnte. Ich hingegen hätte schon ab dem sechsten Monat für die Schlagzeile »Frau trägt Elefantenzwillinge aus« fotografiert werden können, und niemand hätte daran gezweifelt. Gott sei Dank haben sich die meisten der angefutterten Kilos wieder verflüchtigt. Nur der Bauch erinnert noch stark an einen Kängurubeutel.
»Ich komme schon allein klar«, sagt Carola ziemlich häufig, genau das, was ich auch immer sage. Allerdings meine ich es nicht immer so. Ganz so einfach ist das Leben als alleinerziehende Mutter nämlich nicht. Und wenn ich Gilbert und meine Mutter nicht hätte, dann würde ich es sicher
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