Ehemänner
doch alle.«
Sie trafen zu Hause ein.
»Wohin gehst du noch?«, fragte Anas Tochter.
»Ich brauche nicht lange. Kümmert euch um eure Tante«, sagte Ana und zwinkerte ihrer Schwester zu, die sie mit einem Wink verabschiedete.
Ana betrat den Hinterraum einer Kneipe mitten im Gewerbegebiet, das noch bis vor kurzem am Stadtrand gelegen hatte. Dort stieß sie auf Juan, der sich gerade lauthals über sein Unglück ausließ, während aus einem Kassettenrecorder ein Mariachi ertönte, der an wen auch immer die Frage stellte: »Wie kann ich dich vergessen?«
Als Juan sie kommen sah, grölte er völlig schief mit.
»Wen willst du vergessen?«
»Als wüsstest du das nicht. Du bist wie alle Weiber. Und das, wo du für mich immer meine Königin warst.«
»Sprücheklopfer. Lügner. Ich? Erzähl keine Märchen. Nichts als leere Versprechungen. Du machst doch immer weiter mit dem Trinken. Das vergisst du allerdings nie.«
»Verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen«, sagte er.
»Ich gehe, aber dich nehme ich mit. Don Clemente kann hier nichts anfangen mit einem Betrunkenen. Komm, gehen wir nach Hause.«
»Was nicht dein Zuhause ist«, stammelte Juan.
»Ich weiß. Aber du gehörst mir, und deshalb bring ich dich jetzt heim.«
»Einen Scheiß gehöre ich dir. Du bringst mich nirgendwohin. Hier sorgt Don Demente für mich und legt mir meine Musik auf.«
»Und knöpft dir dein Geld ab und verkuppelt dich. Los, gehen wir.«
Sie hievte ihn in ihren Van wie ein schweres Gepäckstück und brachte ihn in seine Wohnung, die in der Tat nicht ihre war. Dort ließ sie ihn in der Obhut seines Freundes Federico, der einzigen Person, die in der Lage war, Juan beizustehen, wenn der Rausch allmählich seine angenehme Wirkung verlor und zur Tortur wurde. Federico war nüchtern wie ein Glas Wasser und im wahrsten Sinne des Wortes gutherzig. Obwohl er immer stärker erblindete, bewegte er sich im Dunkeln wie andere bei Licht und konnte sehen, was andere nicht sahen: Sein Freund Juan war ein unverbesserlicher Säufer und eindeutig das, was man in der Sprache der Mediziner lapidar Alkoholiker nannte.
»Und Sucht und Frust und Willensschwäche und Wut, dich nicht bei mir zu haben«, ergänzte Juan, als Ana ihm die Diagnose wiederholte. »Was schert es mich, wenn ich verrecke, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als vor die Hunde zu gehen. Wenn du nicht kommst, um hier bei mir zu leben, will ich nirgendwo mehr leben.«
»Red keinen Unsinn, und fang nicht an, die Schuld bei anderen zu suchen. Das ist allein deine Sache, und ich ziehe nicht in diese Wohnung ein, ehe du nicht aufhörst, ständig in Kneipen herumzuhängen.«
Ana zitterte, als sie sich so reden hörte.
»Wenn ich das Trinken sein lasse, ziehst du dann hier ein?«
»Ja«, sagte Ana in festem Ton, wenngleich ein wenig bang. »Ich ziehe zu dir, wenn du es schaffst, ein ganzes Jahr lang nüchtern zu bleiben.«
Dann gab sie ihm einen Kuss und überließ ihn Federico. Seit der Jugend war er ihr Verbündeter, er fühlte sich immer noch schuldig, weil er Juan zum Tanz mit den Gringas eingeladen hatte, sosehr Ana ihm auch versicherte, niemand trage Schuld am Leben anderer, und dumm hätten allein sie beide sich verhalten: Juan mit seiner Trunksucht und sie mit ihrer Unnachgiebigkeit. Und schuld seien mehr als alles andere die Stadt, ihre Erziehung und der Klerus.
»Ich vertraue ihn dir an«, sagte Ana, während sie Juans Hand losließ, der schon seit einer geraumen Weile alles vergessen hatte, selbst seinen Namen.
Sie kehrte heim zu ihren Halbwüchsigen und um sich anzuhören, wie ihre Schwester sie als heillos verrückte, hirnlose Lügnerin beschimpfte. Denn ihrer Meinung nach lag es nicht nur am Alkohol, sondern auch daran, dass der Kerl im Leben so maßlos berauscht von sich selbst war, was ihre Schwester im Bett beglückte, aber, wie sie schon immer wusste, Ana auf Dauer nie ertrüge, dass er von morgens bis abends ständig nur von sich reden würde.
»Er kann auch zuhören. Er weiß alles über Gott und die Welt und spricht mit mir wie mit sich selbst. Das ist unbezahlbar. Du magst das nur nicht, weil du ihm das mit der Gringa nicht verzeihen kannst.«
»Danach hat er noch hundertmal Unrecht getan. So sind Trinker eben.«
»Aber nicht mir, denn er ist nicht mein Ehemann«, entgegnete Ana, wohl wissend, dass ihre Schwester in dieser Hinsicht die einzig wahre Wahrheit sprach. Denn es stimmte ja, dass Juan, wenn er über sie beide redete, eigentlich nur immer sich selbst
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