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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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meinte.
    Eine Sache ist die einfache Wahrheit, die wahre Wahrheit eine ganz andere. Für das Wort ihrer Schwester galt Letzteres, zumal die genau wusste, dass Anas Welt um so vieles größer war als Juans und ihr Leben so komplex und facettenreich wie die verborgenen Winkel ihres Herzens zahlreich, weshalb es sich niemals in Juans engen Rahmen hineinzwängen ließe.
    »Er hatte noch nie eine Schwägerin, die ihn so gerne mochte wie ich, aber er ist eben ein Säufer«, sagte die Schwester.
    »Sag das nicht so abschätzig. Ich weiß nicht, ob es allein am Trinken liegt, dass er sich so verhält«, sagte Ana, während sie mit der Erinnerung auch ihr Lächeln wiederfand. Sie erzählte der Schwester das mit der schwarzen Haarlocke. Von ferne war die Musik der Jugendlichen zu hören. Die Schwester nippte ein letztes Mal an ihrem Kaffee und starrte auf ihre nackten Zehenspitzen.
    »Mich hat noch nie jemand so sehr geliebt«, sagte sie traurig.
    »Verrückte sind rar gesät, aber Schufte gibt es mehr als genug«, sagte Ana, die keinen Zweifel hegte, dass die Sache mit dem Freund ihrer Schwester noch so ein Fehler war.
    »Meiner wird heute wieder mal anderweitig zu Abend essen, frühstücken und vögeln«, sagte die Schwester, die einsah, dass ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, mit dem man nicht mal seine Träume teilen konnte, weil er selbst die im Büro ließ, die reinste Dummheit war.
    »Machen wir einen Deal: Ich verlasse den Verrückten und du den Schuft.«
    »Da geht dir mehr verloren als mir«, sagte ihre Schwester.
    »Ich weiß.«
    Zwanzig Tage verstrichen, für alle außer für Juan, der die Zeit anhielt, weil er nicht vom Alkohol lassen konnte. Er kippte ihn bis zur Besinnungslosigkeit in sich hinein, während er die Schuld für sein ganzes Ungemach auf Ana schob. Ihr Versprechen, zu ihm zu ziehen, wenn er mit dem Trinken aufhörte, geriet in Vergessenheit.
    Tagelang trank er von morgens bis abends und bis tief in die Nacht. Nur ab und an raffte er sich auf und blieb zwanzig Stunden lang trocken. In solchen Momenten erwachte er morgens zu neuem Leben, erschien völlig nüchtern im Büro, als wäre es nie anders gewesen, regelte, vorübergehend wieder bei klarem Verstand, sieben Stunden lang seine Geschäfte und schloss Verträge ab, so dass Ana, wenn sie hörte, wie normal er klang, schließlich einwilligte, mit ihm den Abend zu verbringen.
    Sie kamen und gingen wortlos, jeder für sich, ganz von unschuldiger Begierde erfüllt. Später, nachdem sich die Spannung der Wollust in ihren Körpern gelöst hatte, streichelte Ana die Kerbe in der Mitte seiner Brust und küsste seine feuchten Finger. Erst als sie wieder klar denken konnte, fing sie an, auf ihn einzureden und ihre letzte gemeinsame Stunde mit sinnlosen Vorhaltungen zu vergeuden, die trotz ihrer Androhung, nie wiederzukommen, falls er nicht eine Klinik aufsuche und dort auch bleibe, bis er von seiner Sucht geheilt sei, nicht gerade zu einer Einigung beitrugen. Mit selbstgefälliger Miene hörte er sie an und erwiderte, er sei kein Alkoholiker, und all das Gerede, dass er das Trinken nicht lassen könne, habe sie frei erfunden, nur um nicht zu ihm ziehen zu müssen.
    Am nächsten Tag entglitt er Ana; fünf Tage später gewann sie ihn wieder, dann entglitt er ihr erneut für zwei Tage, bis sie ihn neun Tage später wiederfand. Und immer so fort.
    Nach einem dieser Rendezvous schlug er alles in den Wind und versank zwei Monate lang in tiefe Besinnungslosigkeit, aus der er nicht wieder hervorzuholen war. Der Dezember verging, und schließlich wurde es Februar. Im April beschloss Ana endlich, mit dem Häuflein zu reden, das von ihm noch übrig war: Er hatte zwölf Kilo abgenommen, seine Haut war fahl, der Blick abwesend und seine Arme bleischwer von einer jahrhundertealten Erschöpfung; neu war seine überraschende Demut.
    »Nehmen wir mal an, du bist nicht schuld und für mich gibt es doch noch eine Rettung«, sagte er. »Bring mich egal wohin.«
    Ana kam nicht umhin, mit ihrem Mann zu reden. Er wollte gar keine Einzelheiten wissen, nie hatte er sich vorstellen mögen, was genau hinter dem steckte, was zwischen ihnen beiden als eine Jugendfreundschaft mit einem Menschen galt, den alle Welt, er eingeschlossen, für unleidlich hielt. Ana leugnete nicht, dass er unerträglich war, aber jemand müsse ihm ja helfen, und nun hätten sie und Federico ihn soweit gebracht, sich in eine Klinik zu begeben, und dort würde er bis zu seiner Genesung bleiben. Wie es

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