Ehemänner
Spatzen auf dem Fenstersims. Der eine rede sechsunddreißig Stunden am Tag, der andere rede gar nicht, weder über sich noch über ihre täglich schwankenden Gefühle. Juan sei eine Frohnatur, ihr Mann verschlossen. Der eine sei ein guter Unterhalter, der andere ein guter Beobachter. Juans Anstrengungen seien der größte Liebesbeweis, den ein Mann erbringen könne, zwar sei er leicht aufbrausend, aber die dunkle Wolke seines Jähzorns verfliege auch rasch wieder. Der Ehemann sei hingegen nie wütend, aber auch nie überschwänglich. Ob sie das aufregende Auf und Ab oder die ruhige Gelassenheit vorziehe; ob Schweigen nicht verdächtiger sei als hier und da ein Wutausbruch. Ob ein Dominospieler nicht vertrauenswürdiger sei als ein Golfspieler. Wer ihr mehr das Gefühl vermittle, sie zu brauchen, und ob ihr das schmeichle oder sie es eher als Form der Abhängigkeit ablehne. Und nicht zuletzt das Allerwichtigste: Wer was rascher finde, ihre Klitoris oder ihren G-Punkt, und ob einer sie so lange streichle, bis er was auch immer erreiche, und der andere sie vielleicht überhaupt nie streichle. Ob der eine nicht Waffenruhe bedeute und der andere Krieg. Doch letztendlich könne man es noch so sehr drehen und wenden, zwischen ihr und Juan gebe es ein leuchtendes Knistern wie bei sonst keinem.
Es verstrichen der November mit seinen maulbeerfarbenen Blüten und der Dezember mit seinen prasselnden Nüssen, ohne dass ein Glas zu viel den Zauber zerstört hätte. Im Januar war das Schlimmste überwunden, im Februar keimte Enthusiasmus auf, und der März brachte die Mandelblüte; dann wurde es April, wie überall auf der Welt neben Oktober einer der besten Monate im Jahr. Nie zuvor hatte sie ihren Mann so geliebt wie ihren Geliebten, doch nie zuvor hatte ihr diese Mischung auch so bitter geschmeckt. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, nur eine Liebe zu haben, nur einen Mann, nur eine unverbrüchliche Treue, doch ihr war das andere Privileg zugefallen.
Die Frist lief ab.
Als es nur noch wenige Tage hin waren, begann Juan das Datum zu bejubeln, als könne er die alte Magie von der Begegnung auf der Treppe noch einmal heraufbeschwören. Ana stellte indes mit Verwunderung fest, dass sie nicht die Spur eines Zweifels beschlich: Sie wollte mit Juan zusammenleben, als herrsche immer Vollmond, wollte jeden Mittag mit ihm am Tisch sitzen, jeden freien Morgen an seiner Seite aufwachen, mit seinem Geruch behaftet zur Arbeit gehen. Sie war ihm dankbar, dass er ihre Bitte endlich erhört und sich in bewährte Hände begeben hatte, um seine Sucht zu besiegen, sie sich einzugestehen, zu fürchten und dass er diesem unbändigen Drang, dieser ständigen Versuchung aufzugeben, sich aufzugeben, den Kampf ansagen, seinen Ängsten, der Erinnerung an Vergangenes keinen Platz mehr einräumen und sich nicht mehr gegen das Glück des inneren Friedens sperren wollte. Ihre Liebe war größer denn je, und mehr denn je wünschte sie sich ein neues Heim, als könnte sie in eine neue Seele schlüpfen, und sie fühlte nicht den Hauch eines Zweifels. Wäre da nicht diese Panik gewesen, diese Hilflosigkeit, die einen nicht die Worte finden ließ, um all das dort zu erklären, wo es keiner hören mochte und noch weniger verstehen konnte: daheim.
Mit den Tränen, die Ana die letzten vier Nächte vergoss, hätte sie alle sieben Meere füllen können, aber sie hatte keine Worte, um ihrem Ehemann zu erklären, was er ohnehin schon wusste, und ihren Kindern verständlich zu machen, was deren Fassungsvermögen überstieg; sie zu bitten, dass sie ihr verziehen, ihnen Lebewohl zu sagen mit den Worten: »auf bald, auf ewig«. Zu sehr liebte sie ihre Kinder, und zu groß war ihre Angst, sie zu verlieren.
Bei dem Stand der Dinge schrieb sie einen Brief.
Sie nahm nichts mit, keine Stecknadel, keinen Kamm, keinen Schuh; sie verließ das Haus wie immer: Nachdem sie sich von jedem mit einem Kuss verabschiedet hatte, ging sie, das Haar hochgebunden, nur mit ihrer Handtasche bewaffnet, in deren Durcheinander ihr elektronisches Notizbuch steckte, körperlich hin- und hergerissen zwischen zwei Orten, mit dem Gefühl, dass nichts auf ihr lastete und alles weh tat. Da sie mit Juan erst am Abend verabredet war, brachte sie der Wahnsinn am Arbeitsplatz tagsüber wieder zur Vernunft. Und doch spürte sie ein Flattern im Bauch und summte ständig vor sich hin: »Ich komme, ich komme, Liebster, mein Leben.«
Ihre Schwester, die Tür an Tür mit ihr arbeitete, meinte nun, da sie
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