Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
noch lange in der Werkstatt. Die haben wir hier um die Ecke in der Videbullenstraße in unserem alten Haus.«
»Das wisst Ihr noch genau?«
»Ja, meine Schwester Veronika war bis zum Abend zu Besuch. Und erst als sie gegangen war, kam mein Mann.«
Die junge Nonne nickte. »Wann genau war er zurück?«
»Ich kann es nicht mehr so genau sagen.« Ihr Blick wurde immer unruhiger.
Aber Agnes ließ nicht locker: »War es kurz nach Einbruch der Dunkelheit? Vor Mitternacht oder danach? Oder in den Morgenstunden?«
»Bitte entschuldigt, aber ich weiß es nicht.« Die Frau hielt ihre gefalteten Hände flehentlich hoch. »Wenn mein Mann länger arbeiten muss oder noch etwas für die Zunft erledigt, er ist schließlich der Zunftmeister, schläft er in einer kleinen Kammer neben der Küche hier unten, um mich nicht aufzuwecken. Ich bin so schreckhaft und habe Probleme mit meinem Herzen. Zu viel Aufregung kann der Tod für mich sein. Darum hält er alles Schlimme von mir fern. Er ist sehr rücksichtsvoll zu mir. Ein guter Mann.«
»Also wisst Ihr nicht, wann er zurückkam?«
Die Frau machte ein verzweifeltes Gesicht. »So um Mitternacht ging ich ins Bett. Da war er noch nicht da. Am Morgen kam er aber aus seiner Kammer, also ist er bestimmt kurz nach Mitternacht nach Hause gekommen. Ganz bestimmt.«
Agnes beobachtete Frau von Wiesen sehr genau. Ihre zitternden Hände hatte sie nun krampfhaft vor ihrem Bauch gefaltet, die Knöchel waren weiß vor Anstrengung. Was ging in der Frau vor sich? War ihre angeschlagene Gesundheit der Grund für ihre Unruhe oder hatte sie Angst? Wenn Letzteres zutraf – wovor hatte sie Angst?
»Was hat mein Mann mit dem Tod unseres Schwagers zu tun?«, fragte Frau von Wiesen schließlich.
»Der Händler Bode wurde ermordet. Könnte Euer Mann etwas damit zu tun haben?«
Die Frau machte erschrocken einen Schritt rückwärts. »Mein Mann hat ganz bestimmt nichts damit zu tun. Er kam ganz bestimmt gegen Mitternacht zurück. Wo sollte er auch sonst geschlafen haben? Das muss ein Missverständnis sein. Mein Gabriel ist ein guter Mann. Er hat noch nie jemandem etwas zuleide getan. Das ist nicht seine Art.«
Agnes sah den flehenden Blick der Frau. Die Frau von Wiesen wusste oder ahnte mehr, als sie sagen wollte. Hätte Wolfram diesen Blick entsprechend gedeutet, wäre er wahrscheinlich wieder wie ein hungriger Wolf über ein wehrloses Lamm hergefallen. Falls die Frau aber wirklich Herzprobleme hatte, konnte jede Aufregung ihren Tod bedeuten. Und das wollte Agnes nicht riskieren.
Behutsam fragte sie also weiter: »Habt Ihr mitbekommen, ob es Streit zwischen Eurem Mann und dem Händler gegeben hat?«
»Nun ja … Wie soll ich es sagen …« Ihr Blick wanderte wieder unruhig hin und her. »Sie waren ab und an unterschiedlicher Meinung. Gabriel hat ihn schon mal darauf hingewiesen, dass er wenig Rücksicht auf seine Frau nimmt.«
»Inwiefern wenig Rücksicht?«
Die Frau zögerte ein wenig. »Die Sache mit der Magd. Ein Kind von einer Fremden ist doch beileibe genug. Dadurch hat er der Schwägerin Anna so wehgetan. Aber auch die neue Magd ließ er nicht in Ruhe. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die wieder mit einem dicken Bauch daherkommt. Als käme der Mann auf geradem Wege aus Sodom und Gomorrha.« Sie schüttelte sich vor Ekel.
»Und wie hat der Händler auf diesen … Hinweis reagiert?«
»So etwas Undankbares. Sowohl gegenüber meinem Gabriel als auch gegenüber der armen Anna. Schwager Johannes hat nur auf seine Frau geschimpft, die immerzu mäkeln würde. Dabei vergaß er natürlich, woher das kam. Weil er so gemein und treulos war. Solch einen Mann lieben zu müssen, ist eine große Prüfung. Nur wirklich großherzige und starke Menschen können das. Ich glaube, ich könnte das nicht. Ich würde es nicht überleben, wenn mein Mann mich so hintergehen würde. Hätte sich unser Schwager doch nur ein Beispiel an Gabriel genommen.«
»Wann hat Euer Mann zum letzten Mal mit dem Händler Bode über diese Sache gesprochen?«
Die Frau von Wiesen grübelte einen Augenblick nach. An den Händen zählte sie einige Tage mit. »Vor ungefähr zwei Wochen.«
»Gab es da Streit?«
»Ob man das einen Streit nennen kann, weiß ich nicht. Der Schwager hat meinen Gabriel einfach nur ausgelacht und dann hinausgeworfen.«
»Und seit der Zeit? Was passierte seitdem?«
Die Frau zuckte verzweifelt mit den Schultern. »Wir haben mit ihm kein Wort mehr gesprochen. Aber wir haben versucht, unsere
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