Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Schänke
Ludolf schaute sich um. Schräg gegenüber dem Kontor des Händlers Bode befand sich die Schänke
Widukind
. Sie machte einen soliden und anständigen Eindruck. Das Haus war in ordentlichem Zustand. Über der Tür war an einem Eisenhaken ein glänzendes Schwert aufgehängt. Dies war nicht eine jener Spelunken, wo es billigen Wein, dünnes Bier und leichte Mädchen gab.
Er betrat den niedrigen Schankraum, in dem einige einfache Tische mit verschiedenen Hockern und Bänken verteilt waren. Auf der einen Seite befand sich ein offener Kamin, der Wärme spendete, auf der anderen Seite stand ein Tresen, auf dem verschiedene Fässer mit den unterschiedlichen Getränken lagen. Jetzt, kurz nach dem Mittag, waren nur zwei Gäste anwesend. Die beiden Köpfe wandten sich neugierig zu dem unbekannten Besucher um und musterten ihn eingehend. Er grüßte sie kurz.
»Seid willkommen, junger Herr.«
Ein großer, massiger Mann kam schwerfällig durch eine Tür in den Schankraum. Um das Gewicht seines riesigen Bauches, den er unter einer Schürze zu verstecken suchte, auszugleichen, musste er sich leicht nach hinten lehnen. So ging er ständig mit hoch erhobenem Kopf durch die Welt. Bei jedem Schritt wankte er gewaltig, da er seine Masse immer von einem Bein aufs andere verlagern musste, um nicht umzufallen.
»Ich habe Euch hier noch nie gesehen.«
»Stimmt. Ich bin das erste Mal hier.«
»Ich bin Balthasar Melmann. Von allen nur Melle genannt. Was kann ich Euch bringen?«
Ludolf stellte sich und sein Anliegen kurz vor. Konnte sich der Wirt an den Abend erinnern, an dem der Händler Bode gestorben war?
Der Wirt stemmte seine Hände in den Rücken und reckte sich. »Jau. Der Johannes war hier. Hat hier mit einigen Bekannten getrunken und ’n Bier ausgegeben.«
»Gab es etwas Auffälliges? War er niedergeschlagen? Anders als sonst? Oder ist was passiert?«
»Nich dass ich wüsste. Eigentlich wie immer.«
»Mit wem hat er getrunken?«
»Wie üblich mit einigen Handwerksmeistern. Mit denen is’ er befreundet.«
Ludolf nickte. »Richtig. Davon habe ich schon gehört. Wann ist der Händler wieder gegangen?«
»Au, junger Herr. Wisst Ihr, was hier abends los ist? Manchen Morgen weiß ich selbst nich mehr, wann ich ins Bett gekommen bin. Wie könnt ich mich dann erinnern, wann sich meine Gäste verabschieden?«
Ludolf war ein wenig enttäuscht. Er hatte gehofft, mehr über den Todesabend zu erfahren. Was den Händler in den Tod getrieben, wen er getroffen oder was er nach dem Besuch hier getan hatte. Damit hatte sich auch dieser Besuch als Sackgasse erwiesen – jedenfalls fürs Erste.
»Ich werde später noch einmal wiederkommen«, sagte er. »Vielleicht sind dann die Bekannten des Händlers Bode da.«
Der Wirt kratzte sich verlegen seine Glatze und antwortete dann väterlich: »Das is’ nicht nötig, junger Herr. Das ist unnütze Mühe. Was soll’n die schon mehr wissen?«
»Vielleicht nicht. Aber auch die kleinste Möglichkeit darf ich nicht außer Acht lassen.«
Der Wirt machte eine beschwichtigende Bewegung mit seinem massigen Arm. »Glaubt’s mir, das is’ bestimmt vergebliche Liebesmüh’. Das lohnt sich nicht.«
Ludolf verabschiedete sich vom Wirt und trat wieder auf die Straße hinaus.
Und nun? Hatte Bode wirklich Schulden? Schulden, die zu hoch waren, um sie zurückzuzahlen? Oder wurde er unter Druck gesetzt? Wurde ihm oder seiner Familie gedroht? Wenn ja – warum und durch wen? Ludolf war verzweifelt. Er fühlte sich ernüchtert und alleingelassen. Was konnte er jetzt noch tun?
Beim Schwager
Wartet bitte!«
Wolfram von Lübbecke marschierte weiter, ohne auf Agnes’ Rufen zu reagieren.
»Hauptmann! Wartet bitte!«
Endlich blieb er stehen. Die junge Frau eilte herbei und blickte in sein versteinertes Gesicht. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, als wäre sie Luft. Dabei hatte sie alles Recht, auf ihn wütend zu sein, nicht umgekehrt. Immerhin hätte er sie um ein Haar geschlagen.
»Legt Ihr noch Wert auf unsere Zusammenarbeit?« Agnes’ Ton war scharf. Jedes Wort wurde überdeutlich und langsam gesprochen. Ihre Frage klang endgültig.
Jetzt drehte er sich zu ihr um. Er beugte sich halb zu ihr hinunter. »Stell mich nie wieder vor anderen bloß! Untergräbst du meinen Respekt, nimmt mich keiner mehr ernst. So kann keine Stadtwache arbeiten. Merk dir das! Tu das nie wieder!« Er hatte seine Faust drohend erhoben.
Agnes ließ sich durch die unhöfliche Anrede nicht einschüchtern. Sie
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