Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
sie angefahren, aber dann sah er ihr versteinertes Gesicht.
Inzwischen antwortete Hiltrud: »Ja, aber diese andere … diese … dieses hässliche Etwas willste heiraten. Und was wird aus mir?«
»Ich muss sie leider heiraten. Du bleibst meine Allerliebste. Ich würde nie eine andere haben wollen. Die Heirat ist nur ein Geschäft. Mehr nicht. Mich soll der Schlag treffen, falls ich auch nur ein einziges Mal in Erwähnung ziehen sollte, diese Person anzufassen.« Dabei erhob er seine Linke zum Schwur und legte seine Rechte aufs Herz.
Doch die enttäuschte Geliebte war noch nicht zufrieden. »Aber ich möchte mich auch verloben! Ich möchte auch heiraten!«
Schäfermann überlegte einen Moment, dann antwortete er: »Ich habe eine großartige Idee. Folgendes: Verlobt haben wir uns doch eigentlich schon. So oft, wie wir in den letzten Tagen zusammen waren. Und wenn ich in zwei Wochen nach Köln reise, nehme ich dich mit. Dann feiern wir unsere ganz heimliche Hochzeit. Das wissen nur wir zwei. Und alle anderen können uns dann gernhaben.«
Hiltrud strahlte: »Oh, ja. Das is’ ja wunderbar.« Sie umarmte den Händler und küsste ihn innig. Fast schien, als wollten die beiden die ganze Nacht dort stehen. Aber zum Glück lösten sie sich schließlich voneinander und gingen ihres Weges.
Neue Gäste
Endlich sah Agnes auch das Brautpaar. Der Mann mit dem großen Hut und dem samtroten Mantel musste Wolframs Vetter Klaudius sein. Und neben ihm stand die Braut im festlichen schwarzen Kleid mit geschmückter Hochzeitshaube. Sie strahlte vor Glück. Immer wieder reckte sie sich zu ihrem Mann hoch und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Plötzlich klopfte Agnes’ Herz so stark, dass sie zusammenschreckte. Ihr Mund war trocken, und sie konnte kaum noch schlucken. Sie atmete tief durch, als ihr klar wurde, warum sie so nervös geworden war. Sie war neidisch! Neidisch auf das Brautpaar. Voller Wehmut wurde ihr bewusst, dass sie das niemals haben würde: einen Mann, den sie liebte, Kinder. In ihrem Alter waren die Frauen schon längst verheiratet und hatten ein, zwei oder oft sogar mehrere Kinder. Hätte sie nicht den geistlichen Stand gewählt, wäre sie auch schon im heiligen Stand der Ehe. Oder hätte sie vor einem Jahr zugesagt, wäre sie jetzt mit Ludolf … Den Gedanken verwarf sie lieber ganz schnell wieder.
Hätte, hätte
.
Sie bemerkte nun eine Unruhe im Durchgang zwischen der Straße und dem Innenhof. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um etwas erkennen zu können. Ein Pärchen wurde herzlich begrüßt. Sie konnte die beiden in der dichtgedrängten Gruppe der Gäste erst nicht erkennen, immer wieder war ein anderer Kopf im Wege. Doch dann sah sie, wer es war: der junge Händler Röttger Schäfermann mit der flatterhaften Hiltrud Rehkopf.
»Ach, das war also deine Verabredung«, murmelte Agnes vor sich hin. »Bei Bode konntest du nicht landen und jetzt hast du dich an einen anderen Händler herangemacht. Ganz schön fleißig. Und mit dem willst du dich heute noch verloben? Respekt. Und welche Rolle spielt dein Bruder bei der Sache? Was springt für den dabei heraus?«
In diesem Augenblick kam Wolfram mit einem Bierhumpen auf Agnes zu. Er sang laut und falsch. Es war unüberhörbar, dass er sich schon so manches Bierchen gegönnt hatte. »Agnes, komm jetzt! Gleich gibt’s Essen.«
»Warte bitte. Kennst du die beiden?« Sie zeigte auf die Neuankömmlinge.
»Na, klar. Wer denn nich? Wieso?« Mit einem leicht trüben Blick schaute er auf Agnes herab.
»Inzwischen habe ich erfahren, dass sie etwas mit dem verstorbenen Händler Bode hatte.«
Wolfram lachte anzüglich. »Die Hiltrud hat schon mit so einigen was gehabt. Im Moment is’se Schäfermanns Liebchen. Sie is’ ja auch verdammt hübsch. Dazu noch blutjung und lüstern.« Er grinste und nahm wieder einen Zug aus seinem Humpen.
»Wird Schäfermann sie bald heiraten?«
Der Hauptmann verschluckte sich fast an seinem Bier. »Häh? Wo lebst du denn? Die is’ aus ’ner einfachen Familie. Ganz weit unten. Sie und ihr Bruder sind doch bloß arme Schlucker. Das is’ nix zum Heiraten für ’nen Händler. Wie gemunkelt wird, soll Schäfermann aber die Tochter eines Händlers bekommen. Keiner weiß, wer das is’. Aber so viele Händlerstöchter gibt’s hier in Minden nich. Wahrscheinlich eine von außerhalb. Bin mal gespannt, wer das sein soll.«
Agnes war erstaunt. »Und dann kommt er mit der Hiltrud hierher?«
Wolfram riss Augen und Mund übertrieben weit
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