Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
sie getäuscht haben. Und sie war sich auch nicht sicher, ob sie noch klar gucken konnte. Sie hatte eigentlich schon viel zu viel Wein getrunken.
Plötzlich sprang einer der Gäste auf und ging auf das Paar zu. Er sprach die beiden an, die sich nun zum Licht drehten. Sie konnte es kaum glauben. Es war Ludolf! Und wer war diese Person da bei ihm? Ja, ja! Ihr, Agnes, Vorwürfe machen, weil sie mit Wolfram zur Hochzeitsfeier gehen wollte. Aber Ludolf hatte sich schneller getröstet, als man bis drei zählen konnte. Das da musste ganz klar eine Dirne sein. So schnell kam man doch nur an eine Frau, wenn man dafür bezahlte. Sollte er sich doch alle möglichen Krankheiten bei der holen!
»Du Scheusal!«, zischte sie.
Die an Ludolf gerichteten Worte des Gastes waren wegen des Trubels kaum zu hören. Agnes versuchte, so viel wie möglich mitzubekommen.
»Ihr suchtet doch jemanden in der Schänke
Widukind?«
Ludolf bejahte.
»Ich habe da was gehört, das Euch bestimmt …«
Mehr bekam sie nicht mehr mit, denn unverhofft hatten sich kräftige Arme um Agnes’ Taille gelegt. Wolfram vergrub seinen Kopf in ihren Haaren und versuchte, sie auf den Hals zu küssen. Was fiel ihm ein? Sie wandte sich hin und her, um seiner Umklammerung zu entkommen. Außerdem stank er gewaltig nach Bier.
»Bitte, Wolfram. Lass das!« Sie war ärgerlich und versuchte, ihn abzuschütteln. »Ich will wissen, was da draußen geredet wird.«
Er drehte sie zu sich herum. »Was geht uns das an. Da wird auch nur gefeiert.« Und wieder wollte er sie küssen. Mit eisernem Griff hielt er sie fest, sodass sie sich kaum bewegen konnte. Sie stemmte ihre Hände mit aller Kraft gegen seine Brust. Aber bei seiner Stärke hatte das kaum Aussicht auf Erfolg.
»Sei nich so störrisch. Beim Tanzen haste dich auch nich gewehrt.«
Sie wurde immer zorniger. »Das war auch etwas anderes! Das hier gehört sich nicht!«
»Hab dich nich so, Kleines. Du weißt gar nich, was dir entgeht.«
Agnes war außer sich. Solche Sprüche hasste sie wie die Pest. In ihrer Verzweiflung schlug sie ihm die Faust auf die Nase. Wolfram ließ sie sofort los, torkelte erschrocken zurück und griff sich ins Gesicht. Als er die Hand wieder herunternahm, sah man, dass ihm Blut aus der Nase rann. Mit einer heftigen Bewegung wischte er sich die Tropfen aus dem Bart. Wolframs Gesicht war weniger vor Schmerz als vor Wut und gekränkter Ehre verzerrt.
»Ich hab Männer schon für weniger plattgemacht.« Er knurrte wie ein räudiger Hund.
»Du bist ein Grobian!«, schrie sie ihm entgegen.
Langsam kam er auf sie zu. Seine großen Hände streckten sich ihr entgegen.
»Wag es nicht!« Agnes’ Stimme zitterte – im Augenblick mehr aus Angst als aus Zorn. Sie schaute sich verzweifelt um, aber niemand war in der Nähe, der ihr beistehen konnte. Und wenn auch – die besoffenen Kerle hätten Wolfram wohl noch ermuntert und die argwöhnisch blickenden Frauen nur billigend geschwiegen.
Der Hauptmann von Lübbecke brummte unverständliches Zeug vor sich hin. Doch dann sprang er unverhofft vor und ergriff Agnes an den Oberarmen. Der Angriff kam so unvermutet, dass sie nicht mehr zur Seite springen oder ihn abwehren konnte. Seine kräftigen Hände krallten sich mit aller Gewalt in ihre Arme und hielten sie fest wie Schraubstöcke. Agnes schrie vor Schmerz auf. Langsam zog Wolfram sie zu sich heran.
»Und was nun? Du undankbares Stück!« Er schüttelte sie heftig.
Was konnte sie noch tun? Welche Möglichkeiten der Gegenwehr blieben ihr noch? Diesem großen, kräftigen Kerl war sie körperlich klar unterlegen. Warum mussten die Männer in ihrer Bedrängnis immer mit Gewalt reagieren? Warum konnten sie dann nur mit Schlägen argumentieren? Das hatte sie schon als Kind beim Spiel mit den Nachbarsjungen schmerzvoll kennen lernen müssen. Damals hatte nur eines geholfen …
»Nimm dies!«, zischte Agnes und riss ihr Knie mit aller Kraft hoch, genau in Wolframs Schritt.
Der überrumpelte Hauptmann riss die Augen weit auf und holte tief Atem. Seine Hände lösten die Umklammerung und griffen stattdessen nach seiner getroffenen Männlichkeit. Vornübergebeugt sank er vor Agnes auf die Knie. Ein heiseres Stöhnen entwich seiner Kehle. Die junge Frau sprang schnell zur Seite, um nicht von dem Hünen umgerissen zu werden.
»Na, verstehst du die Antwort?«, flüsterte sie ihm grinsend ins Ohr.
Er drehte sein schmerzverzehrtes Gesicht ihr zu, brachte aber kein Wort heraus.
»Das hast du nun davon. So
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