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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Auch Yasemin und Nilgün haben Gesetze gebrochen, nämlich die ihrer Gemeinschaft oder Familie. Aber die meisten der früheren Opfer waren doch Kriegsgefangene oder Menschen, die nach Ansicht der Nazis schon per Geburt ihr Lebensrecht verwirkt hatten. Was hat all das hier mit den beiden Mädchen zu tun? Vielleicht ist der Ort einfach nur abgelegen und einsam genug, um furchtbare Dinge zu erledigen?»
    «Ja, vermutlich hast du recht», erwiderte Steenhoff.
    Aber Navideh spürte, dass er nicht überzeugt war. «Du glaubst weiterhin, dass Nilgüns Fundort nicht austauschbar ist und die Verbrechen an den beiden Mädchen in irgendeiner Form zusammenhängen», stellte sie fest.
    «Ja.» Steenhoff bückte sich, nahm einen Stein in die rechte Hand und schleuderte ihn gegen die Ostseite des Bunkers. Man hörte ein helles Plopp, als der Stein von der Wand abprallte. «Ich gehe nochmal die Wasserkante ab. Danach fahren wir zurück ins Präsidium», erklärte er und marschierte los.
     
    Während Steenhoff mit weit ausholendem Schritt in Richtung Weser lief, ging Navideh zurück zu ihrem Dienstauto. Sie musste dringend aufs Klo. Verstohlen sah sie sich nach Spaziergängern um. Aber Steenhoff und sie waren die Einzigen, die sich in den vergangenen zwei Stunden an dem unwirtlichen Ort aufgehalten hatten. Kurz überlegte sie,sich einfach hinter das Auto zu hocken. Doch allein der Gedanke, Steenhoff könnte es sich anders überlegt haben und plötzlich neben dem Fahrzeug auftauchen, ließ sie sich anders entscheiden.
    Sie zog ihre Jacke aus, warf sie ins Fahrzeug und lief, die Spitze des Bunkers links liegen lassend, in Richtung Weser, wo sie ein verwildertes, mit Büschen und Bäumen bewachsenes Areal gesehen hatte. Sie nahm schützend die Arme hoch, um sich nicht die Haut an den Brennnesseln zu verletzen, und schlängelte sich durch hohes Buschwerk hindurch. Schon nach wenigen Metern war das Auto nicht mehr zu sehen, aber das Laub war hier so dicht, dass sie sich den Hintern zerkratzt hätte, wenn sie sich an dieser Stelle hingehockt hätte.
    Einige Meter weiter entdeckte Navideh endlich eine Stelle mit nur kniehohen Gräsern. Erleichtert hockte sie sich auf den Boden.
    Als sie gerade wieder aufstehen wollte, bemerkte sie direkt vor sich eine Bewegung in den Büschen. Navideh vermutete dort ein Kaninchen und schob neugierig die Zweige auseinander. Doch voller Ekel fuhr sie zurück: Eine dicke Bisamratte starrte sie aus ihrem Versteck an.
    Das Tier schlug heftig mit den Schneidezähnen aufeinander, um den Eindringling zu verscheuchen. Navideh wollte aufspringen und weglaufen, aber sie strauchelte über ihre heruntergelassene Hose und fiel auf die nackten Knie.
    Seit sie denken konnte, hasste sie Mäuse. Ratten aber waren ihr Albtraum. Da half es auch nichts, dass eine Kollegin ihr bei einem früheren Einsatz einmal erklärt hatte, dass Bisamratten eigentlich gar keine Ratten seien. Die zoologischen Feinheiten waren Navideh jedoch vollkommen gleichgültig. Der dicke, glatte Schwanz und die rattenartigeGestalt reichten, um bei ihr eine Gänsehaut am ganzen Körper auszulösen. Instinktiv tastete sie den Boden nach einem Stein ab, um damit das Tier zu vertreiben. Aber ihre Finger fühlten nur ein vor Jahren zurückgelassenes und von Gräsern überwuchertes Holzbrett auf dem Boden.
    Mit einem Satz war Navideh wieder auf den Füßen. Ihre Augen suchten das Gebüsch ab, aber die Bisamratte war verschwunden. Erst jetzt fühlte Navideh, wie heftig ihr Herz schlug. Peinlich berührt stellte sie fest, dass sie unbewusst ihre Pistole gezogen hatte und auf den Busch vor sich zielte. Sie stieß einen leisen Fluch aus, steckte die Waffe zurück ins Holster und zog sich wieder an. Sie war unendlich froh, dass niemand sie beobachtet hatte. Das waren die Geschichtchen, die bei Weihnachtsfeiern im Präsidium wieder und wieder die Runde machten.
    Als sich Navideh umdrehte, um auf schnellsten Weg das Gebüsch zu verlassen, bemerkte sie, dass der Boden unter ihren Füßen leicht federte. Zur Probe sprang sie eine Handbreit in die Luft. Wieder hatte sie das Gefühl, auf einem alten Trampolin zu landen. Sie erinnerte sich, im Erdkundeunterricht mal etwas von dem Phänomen eines Schwingrasens gehört zu haben. Aber soweit sie sich erinnern konnte, entstand solch ein federnder Untergrund bei der Verlandung von Gewässern oder in Moorgebieten. Die Weser floss zwar in unmittelbarer Nähe, aber ein Schwingrasen passte nicht in die Beschaffenheit des

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