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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Geländes.
    Navideh sprang erneut hoch. Doch diesmal hatte sie ihre Arme in die Luft gerissen, um höher zu kommen. Als sie wieder landete, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    Niemals würde Navideh das Knacken von morschem, altem Holz vergessen. Vergeblich suchten ihre Füße und Hände irgendwo nach Halt. Denn statt auf dem niedergetrampeltenGras zu landen, verschwanden ihre Beine im Dunkeln. Petersen stieß einen entsetzen Schrei aus. Dann wurde sie von der Erde verschluckt.
     
    Steenhoff stand an der Wasserkante und sah einem Binnenschiff nach, das die Weser hinuntertuckerte. An Deck hing Wäsche zum Trocknen. Selbst aus dieser Entfernung konnte er erkennen, dass neben Bettlaken und einfarbigen Hemden eine rot-blau karierte Tischdecke im Wind flatterte. Gleich daneben lehnte ein schwarzes Herrenrad an der Reling. Die Szene hatte etwas Zeitloses. Als Kind saß Steenhoff häufig in Hastedt auf den Ufersteinen und sah den kleinen Segelschiffen und Ladekähnen nach. Allein dass sie in Richtung Nordsee unterwegs waren, reichte damals aus, um seine Phantasie zu beflügeln. Für ihn stand fest, dass er später die letzten weißen Flecken auf der Landkarte erforschen wollte. Er wollte dorthin, wo zuvor noch nie ein Mensch seinen Fuß hingesetzt hatte. Von diesen Orten, so war er als Kind überzeugt, müsse ein ganz eigener Zauber ausgehen. Er glaubte, dass er sofort spüren würde, ob jemals jemand zuvor auf diesem Flecken Erde gewesen war oder nicht. Aber am Ende war er doch kein Berufsabenteurer geworden, sondern nur Polizist.
    ‹Zumindest versuche ich manchmal das eine oder andere Geheimnis zu lösen›, dachte er etwas wehmütig.
    Doch heute würde ihm selbst das nicht gelingen. Er hatte den Bunker mehrmals von Nord nach Süd und von Ost nach West abgeschritten, gründlich das Deichvorland abgesucht und war an der Wasserkante entlanggelaufen – aber ihm war keine Eingebung gekommen, warum die beiden Mädchen ausgerechnet hier getötet worden waren. Doch so schnell wollte er noch nicht aufgeben. Er würde einenKollegen bitten, der seit Jahren engen Kontakt zu muslimischen Gemeinden in Bremen hielt, sich in den Moscheen noch einmal umzuhören. Das wäre sinnvoller, als wenn sie als Mordermittler plötzlich in den Gemeinden auftauchten und Fragen stellten.
    Steenhoff sah auf die Uhr. Er hatte länger gebraucht als geplant. Es dämmerte bereits. Petersen würde bestimmt schon ungeduldig im Auto auf ihn warten.
    Er warf noch einen letzten Blick auf das Binnenschiff, dann drehte er sich um und ging zurück. Im selben Moment meinte er, einen Schrei zu hören.
    Beunruhigt sah Steenhoff sich um. Aber er war der einzige Spaziergänger weit und breit. Über ihm flogen zwei Möwen Richtung Bunker. Als er nichts weiter hörte, setzte er seinen Weg fort. Wahrscheinlich hatte er nur die Vögel gehört.
    Das Dienstfahrzeug stand einsam auf dem kleinen Parkplatz in der Nähe des niedrigen Deiches. Schon von weitem meinte Steenhoff zu erkennen, dass Petersen nicht im Fahrzeug saß. Als er näher kam, sah er, dass er recht hatte. Petersen war nirgends zu sehen. Mit ein paar Schritten lief er auf den Deich. Doch selbst von diesem leicht erhöhten Standpunkt sah er nur einen Mann, der in einiger Entfernung seinen Hund spazieren führte.
    Er formte seine Hände zu einem Trichter und rief laut Navidehs Namen. Aber niemand antwortete.
    Wieder sah Steenhoff auf die Uhr. Es wurde Zeit, dass er sich auf den Heimweg machte. Ira hatte versprochen, etwas Leckeres zu kochen, und er wollte sie nicht schon wieder warten lassen. Er holte sein Handy heraus und wählte Navidehs Nummer. Aber sie ging nicht ran. Langsam keimte Ärger in ihm auf. Wo steckte Navideh bloß?
    Steenhoff ging zurück zum Auto, setzte sich hinters Lenkrad und drückte zweimal auf die Hupe. Dann wartete er. Aber Navideh tauchte nicht auf. Nach einigen Minuten rief er sie ein zweites Mal an. Doch erneut meldete sich nur die Mailbox.
    Steenhoff wurde unruhig. Navideh war zuverlässig. Wenn sie sagte, dass sie im Auto auf ihn warten wollte, dann war sie auch da. Es sei denn, es war etwas Ungewöhnliches passiert.
    Kurz entschlossen stieg Steenhoff aus, kletterte auf das Dach ihres Dienstwagens und suchte das Gelände nach seiner Kollegin ab. Er hoffte, dass sein Gewicht keine Delle im Blech hinterlassen würde. Der Mann mit dem Hund war verschwunden.
    «Navideh!», brüllte Steenhoff. «Wo steckst du?»
    Seine Stimme schien von der riesigen Bunkerwand

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