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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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zurückzuprallen. Wieder rief er ihren Namen, aber sie reagierte nicht.
    Mit einem Satz sprang Steenhoff auf den Boden. Er öffnete die Fahrertür und sah sich im Wageninneren um. Seine Entdeckung gab ihm einen Stich: Im Fußraum der Rückbank lag ihre braune Lederjacke. Warum lief sie ohne Jacke draußen herum? Er gab sich einen Ruck und durchsuchte die Taschen. Erleichtert stellte er fest, dass sie jedenfalls ihr Handy dabeihatte. Navideh fror schnell, in wenigen Minuten würde sie wieder da sein. Vermutlich war sie nur irgendwo in den Büschen verschwunden und mochte nicht antworten, während sie pinkelte.
    Steenhoff setzte sich auf den Fahrersitz und schloss die Augen. Nilgüns Bild kam ihm in den Sinn. Ihr offenes Lächeln. Die ebenen Gesichtszüge. Der Junge hatte sie geliebt. Daran bestand kein Zweifel. Warum hatte Nilgün sich vonihm trennen wollen? Hatte ihre Entscheidung etwas mit ihrer Schwangerschaft zu tun? Wollte sie abtreiben? Und hatte Roman den Entschluss nicht verwinden können?
    Einem Impuls folgend öffnete Steenhoff wieder die Augen und drehte sich um. Doch hinter ihm stand nur der riesige dunkle Bunker. Steenhoff meinte, die Gegenwart des Gebäudes fast körperlich zu spüren.
    Irgendetwas stimmt hier nicht. Seit gut einer Viertelstunde war er beim Auto, aber von Petersen fehlte jede Spur.
    Er stieg aus. Neben der Beifahrertür entdeckte er Schuhabdrücke ihrer Stiefel. Steenhoff kam sich wie ein Fährtenleser vor, als er den weichen Boden nach weiteren Spuren absuchte. Ein paar Abdrücke schienen in Richtung Weser zu führen. Kurz überlegte er, ob er die Taschenlampe aus dem Fahrzeug holen sollte, lief dann aber weiter. Sicher würde Petersen gleich mit einem verlegenen Lächeln aus dem Gebüsch auftauchen.
    Steenhoff blieb stehen und rief so laut er konnte ihren Namen. Angestrengt lauschte er. Aber niemand antwortete. Wieder schaute er auf die Uhr. Eine Viertelstunde würde er noch warten. Dann würde er Wessel und Block benachrichtigen. Oder die Kollegen vom nächstgelegenen Revier oder das Lagezentrum oder   …
    Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Sicherlich gab es eine vernünftige Erklärung dafür, warum sich Petersen nicht meldete und hier draußen ohne Jacke herumlief. Nein, er würde sich und seine Kollegin nicht der Lächerlichkeit preisgeben, indem er Hals über Kopf eine Suchaktion nach ihr startete.
    Noch nicht.
    Steenhoff stellte seinen Fuß neben die Spur im Wiesenboden. Der Abdruck, den sein Schuh hinterließ, war breiterund größer. Er versuchte sich zu erinnern, was Navideh an diesem Tag für Schuhe trug, aber es gelang ihm nicht. Eines war aber sicher: Der andere Schuhabdruck in der Wiese war der einer kleineren, leichteren Person. Vermutlich der einer Frau. Bemüht, keinen weiteren Abdruck zu übersehen, schaute Steenhoff voller Konzentration nach unten und folgte der Spur.
    Als er bei einem verwilderten Areal mit dichten Büschen und Bäumen beim Bunker ankam, drehte er sich noch einmal um. Einen Augenblick lang hoffte er, Navideh winkend auf dem Parkplatz zu entdecken. Doch das Dienstfahrzeug stand verlassen im Abendlicht.
    Bei den Büschen verlor sich ihre Spur. ‹Jetzt könnte ich einen Kollegen von der Tatortgruppe gebrauchen›, dachte Steenhoff. Doch im gleichen Moment verwarf er den Gedanken. Es gab keinen Tatort und kein Verbrechen, nur eine unzuverlässige Kollegin, die gerade im Begriff war, seinen Abend mit Ira zu verderben. Steenhoff hatte seiner Frau fest zugesagt, dieses Mal pünktlich zu sein.
    «Navideh, verdammt, wo steckst du?» Steenhoff versuchte gar nicht mehr, seinen Ärger zu unterdrücken. Doch außer einer Amsel, die mit einem aufgeregten Tix-Tix-Tix im Unterholz verschwand, schien er allein zu sein.
    Da fiel sein Blick auf einen abgebrochenen Zweig. Das Gras war an dieser Stelle etwas zerdrückt. Er ging in die Hocke, um nach weiteren Zeichen am Buschwerk zu suchen, konnte aber keine entdecken. Im selben Moment meinte er, ein leises Stöhnen zu hören. Steenhoff hielt den Atem an. Er wagte nicht, sich zu bewegen, um ja nichts zu überhören. Instinktiv griff er mit der rechten Hand an seinen Gürtel. Seine Waffe steckte im Holster. Allein ihre Konturen zu spüren, gab ihm ein Gefühl der Sicherheit.
    Entschlossen bog er die Zweige auseinander und ging tiefer ins Gebüsch. Nach wenigen Metern blieb er stehen und lauschte erneut. Es war ein Fehler, die Taschenlampe nicht mitgenommen zu haben. Zwar hatten sich seine Augen an das stetig abnehmende

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