Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
Vom Netzwerk:
ihn überprüfen. Wer war der dritte Anrufer?»
    «Ein junger Mann. Aus Bremen. Er ist noch in der Leitung. Völlig aufgelöst. Er ist überzeugt, dass es sich um seine Freundin handelt. Er meint, ihren Schmuck wiederzuerkennen. Außerdem hat sie sich angeblich seit fünf Tagen nicht mehr bei ihm gemeldet.»
    «Das kommt bei der größten Liebe vor», murmelteSteenhoff. «Aber notiere dir bitte seine Adresse und gib ihm meine Durchwahl. Ich bin in einer Viertelstunde wieder an meinem Platz.» Er wollte das Gespräch gerade beenden, als ihm noch ein Gedanke kam. «Hat er gesagt, wie seine Freundin heißt?»
    «Ja. Ihr Vorname ist Nilgün. Ihre Eltern stammen aus der Türkei.»
    «Warte bitte!»
    Steenhoff machte Petersen ein Zeichen, alles stehen zu lassen und mitzukommen. Ohne das Handy vom Ohr zu nehmen, eilte er mit großen Schritten über den Flur in sein Büro. Verwundert folgte ihm Petersen, griff sich aber nach einem weiteren Zeichen ihres Kollegen Stift und Papier.
    Steenhoff schloss die Tür und setzte sich an seinen Tisch. «Stell den Anrufer durch. Ich bin wieder am Platz», wies er die junge Beamtin an. Dann nahm er den Hörer ab und drückte auf Lautsprecher.
    «Frank Steenhoff, Mordkommission.»
    Doch niemand antwortete. Steenhoff und Petersen hörten nur den gepressten Atem eines Menschen.

05
    Steenhoff sah Petersen verwundert an. Dann versuchte er es noch einmal.
    «Hallo, Sie sprechen mit Frank Steenhoff. Bitte antworten Sie. Sie brauchen nichts zu befürchten.»
    Er wartete. Doch der Anrufer hatte anscheinend den Mut verloren. Steenhoff spürte, dass der Unbekannte gleich auflegen würde. Wenn er aus einer Telefonzelle anrief, würde der Mann längst über alle Berge sein, bis sie einen Streifenwagen hingeschickt hätten. Er musste Zeit gewinnen.
    «Ich nehme an, Sie wollen Ihren Namen aus einem bestimmten Grund nicht nennen. Das ist in Ordnung. Völlig in Ordnung. Aber wenn Sie sich Sorgen um Ihre Freundin machen und wissen wollen, was mit ihr passiert ist, sollten Sie uns zwei, drei Fragen beantworten. Vermutlich kann ich Sie dann schnell wieder beruhigen.»
    Petersen zog ihre linke Augenbraue hoch und sah ihn fragend an. Steenhoff zuckte mit der Schulter. In ihrem Job mussten sie viele Rollen beherrschen. Manchmal galt es, den knallharten Ermittler zu mimen, manchmal den verständnisvollen Seelsorger.
    Steenhoff ging intuitiv vor. Er spürte, was der andere gerade brauchte. Eine Fähigkeit, um die ihn viele Kollegen bei Vernehmungen beneideten. Doch manchmal fragte er sich, wie nah er selbst der Denk- und Gefühlswelt eines Verbrechers war. Konnte er nur gut schauspielern und Verständnis für Taten und Handlungen heucheln, wo es eigentlich nur tiefste Verachtung geben durfte? Oder hatte seine Fähigkeit, sich in die verworrenen Erklärungen eines Täters hineinzuversetzen, auch noch einen anderen Hintergrund? Der beiläufig dahingeworfene Satz eines längst pensionierten Kollegen kam ihm oft in den Sinn: «Jeder gute Kriminalbeamte hat das Potenzial eines Verbrechers. Wir haben uns nur entschieden, auf der anderen Seite zu stehen.»
    Diese These hatte vor Jahren auf einer Weihnachtsfeier für Streit unter den Beamten gesorgt. Steenhoff hatte damals nichts dazu gesagt. Aber die provokante Äußerung des Kollegen beschäftigte ihn noch immer.
    «Ich habe Angst, dass das tote Mädchen aus der Sendung meine Freundin ist», stieß der Anrufer plötzlich hervor.
    Er sprach mit brüchiger Stimme. Steenhoff schätzte ihn auf höchstens 20. «Wie kommen Sie darauf?»
    «Sie hat sich seit fünf Tagen nicht mehr gemeldet.»
    «Und Sie haben ein enges Verhältnis?»
    «Ja. Wir lieben uns. Wir schreiben uns täglich mehrere SMS. Aber seit ein paar Tagen antwortet sie nicht mehr.»
    «Seit wann genau?»
    «Seit Montag.»
    Steenhoff und Petersen wechselten einen Blick.
    «Vielleicht sucht sie einfach ein bisschen Abstand zu Ihnen?», nahm Steenhoff den Faden wieder auf.
    Der Mann schwieg.
    «Oder sie hat sich in einen anderen verliebt.»
    Wie erwartet, war die Reaktion heftig. «Nilgün ist nicht so eine. Selbst wenn sie Schluss machen wollte, würde sie mir das niemals am Telefon sagen. Sie ist der aufrichtigste Mensch, der mir jemals begegnet ist. Auch wenn das ihre Eltern anders sehen.»
    «Warum sollten Nilgüns Eltern schlecht von ihrer Tochter denken?», hakte Steenhoff mit wachsender Spannung nach.
    «Weil sie es ihr niemals erlauben würden, sich mit einem Deutschen zu treffen, geschweige denn, einen

Weitere Kostenlose Bücher