Ehrenhüter
auch so präzise berichten, haben wir eine gute Chance, über Zeugen weiterzukommen.» Sie unterdrückte ein Niesen und fuhr dannfort: «In den 1 9-Uhr -Nachrichten der verschiedenen Sender haben sie unsere Meldung auch schon gebracht. Alle haben den Schmuck und die Kleidung der Unbekannten ausführlich beschrieben.»
«Gut. Sind die Fotos und die Angaben auf der Homepage der Bremer Polizei schon eingestellt?»
Petersen setzte sich an ihren Computer und schaute nach. «Ja, alles drinnen. Wie mit Diepenau besprochen.»
Steenhoff wählte die Nummer eines Kollegen, der damals die Ermittlungen am Bunker geleitet hatte. Aber ein anderer Beamter nahm den Hörer ab und teilte ihm mit, dass der Mann im Urlaub war.
«Kann ich ihn telefonisch erreichen?»
«Wohl kaum. Der segelt irgendwo auf der Ostsee. Wenn es ganz eilig ist, könnten wir es natürlich über Seefunk versuchen.»
Steenhoff verneinte und legte wieder auf. Er würde sich die Akten zu dem alten Fall kommen lassen. Denn er war sich sicher: Der vor Jahren verübte Doppelmord an dem kurdischen Liebespaar war der Schlüssel zu ihrem aktuellen Fall. Daran gab es keinen Zweifel.
Kurz dachte Steenhoff an eine Amerikareise, die er vor ein paar Jahren beruflich angetreten hatte. Selbst in Washington, der angeblichen Hauptstadt des Verbrechens in den USA, wäre es auffällig, wenn an einem abgelegenen Ort innerhalb weniger Jahre zwei Mordopfer gefunden würden. Bremen hatte im Gegensatz zu Washington nur einen Bruchteil der Tötungsdelikte, mit denen sich die amerikanischen Kollegen herumquälen mussten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie mussten den Faden ganz von vorn aufrollen, im August 1999.
Es war keine Stunde vergangen, als es an Steenhoffs Tür klopfte.
«Ich bringe die Akten, die du haben wolltest.» Ein junger Beamter, der erst einige Tage bei ihnen in der Abteilung war, machte eine Kopfbewegung in Richtung Flur. Steenhoff fragte sich, worauf er wartete.
«Wollt ihr die wirklich alle hier drinnen haben?» Zweifelnd sah sich der Polizeibeamte in dem kleinen Büro um.
Steenhoff stand auf und folgte seinem Blick. Vor der Tür standen drei große Kartons, randvoll mit Akten.
«Die Hauptakte liegt hier drinnen», sagte der Mann und zeigte auf den Karton, der Steenhoff am nächsten stand.
«Was war das denn für ein Monsterverfahren?» Petersen war ebenfalls an die Tür getreten und starrte fassungslos auf die Papierberge zu ihren Füßen.
«Tja, ein Verbrechen mit politischen Dimensionen … Die Kollegen waren wahrlich nicht zu beneiden», murmelte Steenhoff und sah sich ratlos um.
«Die Kartons kommen zu Jan Schneider ins Büro. Der ist die nächsten zwei Wochen auf einem Lehrgang», sagte Petersen entschieden und trug den ersten Schwung in das andere Büro.
Sie hatten gerade den letzten Karton leergeräumt, als sich eine junge Beamtin vom Kriminaldauerdienst bei Steenhoff auf dem Handy meldete. Vergeblich versuchte sie, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben. «Wo bist du, Frank? Ich dachte, du und Navideh, ihr wolltet im Präsidium auf Anrufe warten. Aber ich konnte euch in eurem Büro nicht erreichen. In der letzten Viertelstunde haben sich bereits drei Leute wegen eurer unbekannten Toten gemeldet.»
«Schieß los!»
«Eine Anruferin meint, es könnte ihre 2 1-jährige Tochter sein, die seit drei Wochen verschwunden ist.»
«Ein Bremer Fall?», fragte Steenhoff verwirrt. Er konnte sich nicht erinnern, dass sein Kollege, der alle Vermisstenfälle betreute, die junge Frau erwähnt hatte.
«Nein. Eine junge Serviererin aus Düsseldorf. Die Mutter behauptet, sie hätte vor dem Verschwinden ihrer Tochter täglich mit ihr telefoniert. Allerdings soll sie persönliche Unterlagen und einen Koffer aus ihrer Wohnung mitgenommen haben.»
«Wie kommt die Frau darauf, dass es sich bei unserer Unbekannten um ihre Tochter handelt?»
«Sie meint, sie gehe jeder Spur nach.»
«Gib uns nachher ihre Nummer», sagte Steenhoff gedämpft. «Wessel wird sie anrufen. Wer waren die beiden anderen?»
«Ein 2 8-jähriger Kaufmann, der seine von ihm getrennt lebende Ehefrau in der Beschreibung wiederzuerkennen glaubt. Er sagte, sie sehe jünger aus, als sie tatsächlich sei. Angeblich ziehe seine Exfrau Männer wie Schmeißfliegen an.»
«Und nun will er, dass wir ihm versichern, dass seine Frau noch putzmunter ist, und ihm nebenher noch ihre neue Adresse mitteilen», sagte Steenhoff genervt. «Auch den wird Wessel zurückrufen. Aber vorher soll er
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