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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Tom, das konnte ich nicht wissen.«
    »Kein Grund,
sich Vorwürfe zu machen. Irgendwann wäre die Sache ans Licht gekommen. Lieber jetzt
als in ein paar Jahren, oder?«
    »Mag sein.«
Lea ließ den Brief sinken und starrte an die gegenüberliegende Wand. »Ich frage
mich, wie es dazu kommen konnte.«
    »Nicht nur
du, Lea – nicht nur du.«
    Aschfahl
im Gesicht, begann Sydows Frau zu lesen. »›Du kannst dir vorstellen‹«, begann sie
und vermied es, ihren Mann anzuschauen, »›Du kannst dir vorstellen, Luise, dass
ich allmählich beginne, mir Sorgen zu machen.‹«
    »Späte Einsicht,
findest du nicht auch?«
    »Besser
spät als nie, Tom.« Lea räusperte sich und fuhr fort: »›Du weißt ja, wie Agnes ist:
Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann kein Mensch sie davon abbringen.
Immer und immer wieder habe ich sie ermahnt, habe ihr ins Gewissen geredet, sie
beschworen, von ihrem Weg abzuweichen. Aber sie hat nicht auf mich gehört, weder
vor noch nach Toms Verschwinden. Nimm es mir nicht übel, Luise, aber du kannst Dir
nicht vorstellen, wie sehr ich darunter gelitten habe. Zuerst verlierst du den Sohn,
wirst vorgeladen, verhört, bedrängt, nach seinen Motiven und nach seinem Aufenthaltsort
befragt. Welch eine Demütigung, der Junge weiß nicht, was er mir angetan hat.‹«
    »›Demütigung‹
– aha!«
    »Tu mir
den Gefallen und bleibe sachlich, Tom. Wo war ich gerade stehen ge… genau! ›Ich
weiß, dass er dein Augapfel ist, Luise, du musst mir die Bemerkung verzeihen. Wie
dem auch sei, nie und nimmer hätte ich mir träumen lassen, dass Agnes zu so etwas
imstande sein würde. Man stelle sich das einmal vor: Einer jungen Frau aus gutem
Hause fällt nichts Besseres ein, als sich in den Dienst einer Verbrecherclique zu
stellen und Aufseherin in einem Konzentrationslager zu werden. BdM, NS-Frauenschaft,
Luftwaffenhelferin, Sekretärin im RSHA [39] in der Wilhelmstraße und Aufseherin im KZ Theresienstadt.
Welch eine Karriere, welch Albtraum für einen Vater, der mit ansehen muss, wie seine
Tochter sich in eine Kriminelle verwandelt.‹« Lea Sydow ließ den Briefbogen sinken
und öffnete das Fenster. Dort blieb sie geraume Zeit stehen, müde, deprimiert und
unfähig, den Brief zu Ende zu lesen.
    »Was will
uns der Name sagen?«, murmelte Sydow, der die daraufhin einkehrende Stille nicht
ertrug und sich umwandte, um Leas Blick zu suchen.
    Seine Frau
schien es jedoch nicht zu bemerken. »Theresienstadt?«, fragte sie und fügte nach
dem Ausbleiben einer bekräftigenden Antwort an: »Was er einem eben so sagt: angebliches
»Vorzeigeghetto« – mit Betonung auf ›angeblich‹. Zwischenstation auf dem Weg in
die Vernichtungslager, oder, um es ungeschminkt auszudrücken, Endstation für Zehntausende
europäischer Juden.« Sydows Frau seufzte gequält auf. »Du siehst, meine Kenntnisse
lassen zu wünschen übrig.«
    »Meine auch,
da kann ich dich beruhigen.«
    »Wenn du
willst, kann ich mich erkundigen. Ein Kollege von mir kennt sich bestens aus.«
    »Tu das,
mein Schatz, tu das«, ermunterte Sydow seine Frau, nicht unbedingt erpicht, Licht
ins Dunkel der Familienhistorie zu bringen. »Dann wissen wir wenigstens Bescheid.«
    »Nanu!«,
rief Lea aus, drehte sich um und sah ihren Mann mit gerunzelten Brauen an. »Was
ist denn auf einmal in dich gefahren?«
    Sydow zuckte
die Achseln.
    »Aus dir
soll mal einer schlau werden, Tom!«, fuhr seine Frau kopfschüttelnd fort. »Erst
setzt du Himmel und Hölle in Bewegung, um zu erfahren, was aus deiner Familie geworden
ist, und dann, wenn die Sache richtig spannend wird, ziehst du dich in den Schmollwinkel
zurück.«
    »Glaub mir,
Lea: Mein Bedarf an makabren Details ist gedeckt. Insbesondere, was den Werdegang
meiner Schwester betrifft.« Ohne sich an Leas überraschtem Blick zu stören, öffnete
Sydow die Vitrine, in der Tante Lu ihre geistigen Getränke aufbewahrte, nahm ein
Glas heraus und goss sich einen Sherry ein. Dann prostete er ihr zu und trank es
leer. »Irgendwann, mein Schatz, ist einfach Schluss. Ich weiß nicht, woran es liegt,
aber allmählich kann ich das alles nicht mehr ertragen. Seit ich denken kann, bin
ich gezwungen, mich mit dem Thema Agnes rumzuschlagen. Agnes hier, Agnes dort, Agnes,
die ständig die Aufmerksamkeit meiner Eltern auf sich zieht. Agnes, die Kokette,
Papas Liebling.« Sydow lachte verbittert auf. »Und was, bitte schön, war mit mir?
Die beiden hat es doch einen Scheiß interessiert, mit welchen Problemen ich

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