Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
mich
…«
»Das Problem,
Tom Sydow, warst du . Beziehungsweise ein Teil davon. Oder glaubst du, dein
Vater war froh, dass du von der Bildfläche verschwunden bist?«
»Jetzt will
ich dir mal was sagen, mein Schatz. Mein Vater, mein ach so anständiger Vater, gehörte
zu den engsten Mitarbeitern eines gewissen Herrn Doktor Luther, Unterstaatssekretär
im Auswärtigen Amt. Na, fängt’s an zu klingeln?«
»Schrei
nicht so, Tom. Ich verstehe dich auch so.«
»Tatsächlich?
Das bezweifle ich.«
»Kein Grund,
ironisch zu werden. Sag, was du zu sagen hast – aber bitte nicht in diesem Ton.«
»Tut mir
leid, Lea, aber ich … ich … Was ich damit sagen will, ist: Vater war nicht so unwissend,
wie er tat.«
»Wie kommst
du darauf?«
Bevor er
fortfuhr, holte Sydow tief Luft. Dann sagte er: »Doktor Luther, seines Zeichens
Unterstaatssekretär, war ein Duzfreund von Vater.«
»Und was,
bitte sehr, ist daran so schlimm?«
»Gar nichts.
Außer vielleicht, dass er zu den Teilnehmern der Wannseekonferenz gehörte. Du weißt
schon, jene 15 ehrenwerten Herrschaften, denen es gefiel, Millionen von Menschen
in den Tod zu schicken. Protokollant: Adolf Eichmann, unlängst in Israel zum Tode
verurteilter SS-Obersturmbannführer.«
»Sei nicht
so zynisch, Tom. Wer weiß, wie du dich verhalten hättest, wenn du in der Position
deines Vaters gewesen wärst.«
»Ich?«,
empörte sich Sydow und deutete sich mit dem Zeigefinger auf die Brust. »Was ich
damals getan hätte, willst du wissen? Kann es sein, dass ich dir die Geschichte
schon hundert Mal erzählt habe?«
»Hast du,
mein Schatz, hast du.« Ein mitleidvolles Lächeln im Gesicht, war Lea nicht darauf
aus, eine Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen, trat auf Sydow zu und strich ihm
über die Wange. »Ich weiß, was du mitgemacht hast, Tom. Du musstest mit ansehen,
wie dein Kollege auf offener Straße niedergeschossen worden ist, bist von der Gestapo
durch halb Berlin gejagt worden, bist mit Mühe und Not entkommen. Musstest sämtliche
Brücken hinter dir abbrechen. Ausgerechnet du, mein Vorzeigeberliner.«
»Das hast
du aber schön gesagt, Schatz.«
»Hatte ich
dich nicht darum gebeten, dir jegliche Ironie …?«
»Schon gut,
Lea. Ich werd’s mir merken.«
Die Angesprochene
quittierte es mit einem Stirnrunzeln. Dann sagte sie: »Weißt du, was das Gute daran
ist, Tom?«
»Ich weiß
nicht, ob es mir guttut, ständig in Abgründe blicken zu müssen.«
»Aber du
weißt, was ich sagen will, oder?« Die Hand auf seiner Schulter, studierte Lea den
Gesichtsausdruck ihres Mannes und sagte: »Sie ist tot, Tom. Hörst du? Deine Schwester
Agnes lebt nicht mehr. Sieh zu, dass du mit der Vergangenheit ins Reine kommst.«
»Tot«, wiederholte
Sydow in nachdenklichem Ton und betrachtete das Foto in seiner Hand. Dann aber,
von einem Moment auf den anderen, hob er den Blick und ließ es in seiner Brusttasche
verschwinden. »Tot, sagst du.«
»Ja, tot,
genau wie dein Vater, Tante Lu und … sag mal, Tom, was ist denn eigentlich los?
Komm schon, mir kannst du es ja wohl sagen!«
»Kann ich
nicht.«
»Darf man
fragen, warum?«
»Weil du
mich sonst für bekloppt halten würdest – darum.« Einem plötzlichen Impuls folgend
nahm Sydow seiner Frau den Brief aus der Hand, legte ihn zurück ins Schubfach und
begann mit versteinerter Miene auf und ab zu gehen.
»Was immer
es ist, das dir durch den Kopf geht, Tom – auf die Art kommen wir nicht weiter.
Lass uns ein andermal wiederkommen. Ist wahrscheinlich nicht dein Tag. Und meiner
auch nicht.« Einen Seufzer auf den Lippen, blickte Lea auf die Uhr. »Außerdem müssen
wir uns demnächst um deine Mutter kümmern. Halb fünf im Hotel – schon vergessen?«
»Wie könnte
ich!«, seufzte Sydow mit schicksalsergebener Miene, blieb stehen und wirbelte ohne
Vorankündigung herum. »Wenn wir gerade über Pflichterfüllung reden!«, rief er plötzlich
aus, vom einen auf den anderen Moment nicht mehr wiederzuerkennen. »Du hast doch
nichts dagegen, wenn ich kurz im Präsidium anrufe, dauert nicht lange, mein Schatz,
wer weiß, vielleicht werde ich dort gebraucht, du weißt doch, ohne mich kommen die
auf keinen grünen …«
»Lange Rede,
kurzer Sinn: Du möchtest, dass ich die Betreuung der Frau Mama übernehme!«, rief
Lea aus, nachdem der Redeschwall ihres Mannes abgeebbt war. »Sag mal, schämst du
dich eigentlich nicht?«
»Doch, mein
Schatz, doch!«, beteuerte Sydow, griff zum Hörer und wartete das Ende einer Diskussion,
bei der
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