Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
begann.
Worte, die
so hasserfüllt klangen, das es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief: »Na warte, Bruderherz,
dafür wirst du mir büßen. Ich werde mit dir abrechnen, verlass dich drauf!«
Die Akte Eichmann
›Berlin taz │ Der bundesdeutsche Geheimdienst
wusste bereits im Jahre 1952, dass der gesuchte Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann in
Argentinien lebte, unternahm aber nichts. Das geht aus einer Karteikarte des Bundesnachrichtendienstes
(BND) hervor, die Bild am Samstag veröffentlichte. Danach war der ›Organisation
Gehlen‹, dem Vorgänger des BND, auch bekannt, wie man die Adresse Eichmanns hätte
herausfinden können: »Die Adresse von E. ist beim Chefredakteur der deutschen Zeitung
›Der Weg‹ bekannt«, heißt es auf der Karte. Als Deckname des ehemaligen SS-Obersturmbannführers
nennt die BND-Karteikarte »Clemens«. Tatsächlich nannte sich der Organisator des
Mordes an sechs Millionen Juden im SS-Reichssicherheitshauptamt damals Ricardo Clement.
Die BND-Informationen
blieben für Eichmann ohne Folgen.‹
(Aus: taz.de [09.01.2011])
›Auch wenn bis heute nur ein kleiner
Teil der angelegten Akten bundesdeutscher Institutionen zugänglich ist, geht aus
diesem Material doch hervor, dass man das Schlimmste befürchtete. Eichmann war wieder
da, und mit ihm mehr als ein Schatten der Vergangenheit.‹
(Aus: Bettina Stangneth, Eichmann
vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders , Zürich-Hamburg 2011,
S. 451)
Viertes Kapitel
(Berlin,
Donnerstag, 31. Mai 1962)
17
Städtisches Krankenhaus Moabit,
Notaufnahme │ 18:30 h
»Na, du machst vielleicht Sachen!«,
rief Sydow aus, als er den weiß gekachelten Aufwachraum betrat, in den Morell nach
der Operation gebracht worden war. »Mach bloß nicht schlapp, sonst kriegst du es
mit mir zu tun.«
Der Boulevardreporter
lächelte matt, die linke Schulter bandagiert und den Hinterkopf auf der Fläche der
rechten Hand. »Wenn hier einer was gemacht hat, dann doch wohl diese Folterknechte
vom …«, begann er, bevor er innehielt und sich mit Blick auf die OP-Schwester und
den Oberarzt eines Besseren besann. »Es geht doch nichts über eine robuste Konstitution,
oder?«
»Tja, Unkraut
vergeht nicht.« Das war nicht gerade charmant, was er da sagte, und der Blick der
Oberschwester verriet, wie ungnädig Sydows Bemerkung aufgenommen worden war. Morell,
nachdenklicher als sonst, nahm es dagegen mit Humor, wie das amüsierte Zucken seines
Mundwinkels bewies. »Schwein gehabt, rasender Reporter.«
»Das können
Sie aber laut sagen, Herr Kriminalhauptkommissar«, kam der Oberarzt Morell zuvor,
zwar noch recht jung, aber offenbar so kompetent, dass er mit der Leitung der chirurgischen
Abteilung betraut worden war. »Ein paar Zentimeter weiter links, und die Kugel hätte
die Aorta durchschlagen. In diesem Fall, fürchte ich, wäre jede Hilfe zu spät gekommen.
Sie müssen einen Schutzengel haben, Herr Morell. So viel Dusel hat man nicht oft
im Leben.«
»Kommt drauf
an, was Sie unter Dusel verstehen.« Morell machte Anstalten, sich aufzurichten,
doch bevor er seine Absicht in die Tat umsetzen konnte, war die Schwester zur Stelle
und drückte ihn sanft, aber bestimmt auf das Krankenlager zurück. Die nur um wenige
Jahre jüngere, schmalgesichtige und überaus resolute Vertreterin der Spezies ›harte
Schale, weicher Kern‹ hatte ihn unter ihren persönlichen Schutz genommen, was Sydow,
der bereitwillig zur Seite trat, ein vergnügtes Lächeln entlockte. »Wie dem auch
sei, danke für Ihre Bemühungen, Herr Doktor.«
»Nichts
zu danken, Herr …«, erwiderte der Oberarzt, gerade einmal 34, schlank und an den
Schläfen nahezu vollkommen grau, und warf einen Blick in die Kladde, welche er an
seine Brust gepresst hatte.
»Rosenzweig,
David Rosenzweig.«
»Merkwürdig.«
»Wieso?«
»Aus dem
Presseausweis, der sich in Ihrem Jackett befand, geht hervor, dass …«
»Morell
ist nur ein Pseudonym, Herr Doktor.« Morell wandte den Kopf ab und starrte an die
gegenüberliegende Wand. »Reine Vorsichtsmaßnahme – Sie verstehen.«
»Pseudonym
oder nicht, genützt hat es Ihnen nichts.« Der Oberarzt hob den Kopf und warf Sydow,
der sich ihm gegenüber äußerst zugeknöpft gab, einen forschenden Seitenblick zu.
Dieser hielt sich jedoch bedeckt, in Gedanken immer noch bei dem Schusswechsel,
den er sich mit dem Killer, der auf Morell angesetzt worden war, geliefert hatte.
Zwar war es ihm gelungen, das Schlimmste
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