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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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hatten sie und die Kameraden nichts
zu befürchten. Je mehr Geld, desto mehr Macht, je mehr Macht, desto größer die Wahrscheinlichkeit,
dass ihre Strategie dereinst Früchte tragen würde. Natürlich würden nicht nur die
Banken etwas vom Kuchen abbekommen, sondern alle jene, auf die man am Tag X zählen
würde. Radiosender, Zeitungen, Verlage, das Fernsehen, was das betraf, wartete ein
reiches Betätigungsfeld auf sie.
    Nicht außer
Acht lassen durfte man diesbezüglich die Politiker, und hier wiederum all jene,
deren Vergangenheit vertuscht worden war. Viele von ihnen hatten es wieder zu etwas
gebracht, die eine oder andere Gratifikation, und sie wären wie Wachs in ihren Händen.
Fast noch wichtiger und, wie der Fall Eichmann lehrte, geradezu unverzichtbar waren
darüber hinaus die Justizbeamten. Vor allem solche, bei denen man davon ausgehen
konnte, dass ihre vaterländische Einstellung keinen Schaden genommen hatte. Stand
doch zu befürchten, dass Eichmann nur die Spitze des Eisberges war, und dass es
in den kommenden Jahren zu weiteren Prozessen gegen ehemalige Kameraden kommen würde.
Darauf musste man vorbereitet sein, und sei es nur, um die Herren Richter gnädig
zu stimmen. Oder um das Gehalt eines Staatsanwalts, der als Ankläger bei Kriegsverbrecherprozessen
fungierte, ein wenig aufzubessern. Bisweilen wirkten Gefälligkeiten wahre Wunder,
zumal, wie das römische Sprichwort sagte, Geld nicht zu riechen pflegte [48] .
    Vor dem
Bahnhof Zoo angelangt, hielt Agnes von Sydow kurz inne. Mittlerweile hatte es aufgehört
zu regnen, und da es zu früh war, ins Hotel zurückzukehren, beschloss sie, noch
ein wenig über den Ku’damm zu bummeln. Das Wetter war zwar alles andere als ideal,
für einen Blick in die Schaufenster jedoch gut genug.
    Nicht lange,
und Agnes von Sydow bereute ihren Entschluss. Von New York, ihrem Zweitwohnsitz,
war sie Besseres gewohnt und sie fragte sich, was an Berlins Vorzeigemeile Besonderes
war. Theater, ein paar Geschäfte, die nicht hielten, was ihr Name versprach, das
Kranzler, in dem sich die Biedermänner die Klinke in die Hand gaben und Kinos, in
denen Heimatschnulzen auf dem Programm standen. Nein, dies war nicht mehr das Berlin,
welches sie kannte, das war beinahe schon provinziell. Die Zeiten, in denen hier
etwas geboten wurde, waren vorbei, höchste Zeit, das Steuer herumzureißen.
    Und höchste
Zeit, wieder ins Hotel zurückzukehren. Sie hatte genug gesehen, mehr als genug.
Die Stadt, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte, war kaum noch wiederzuerkennen,
und es war fraglich, wie lange sie sich noch über Wasser halten konnte. Auf Adenauer
war kein Verlass, das hatte der Mauerbau gezeigt. Und die Russen? Nun, was das betraf,
stand fest, dass die Zeit für den Bolschewismus arbeiten würde, es sei denn, Kennedy
würde endlich Ernst machen.
    Dazu, fürchtete
sie, würde es jedoch nicht kommen. Längst nicht mehr so euphorisch wie zuvor, machte
Agnes von Sydow auf dem Absatz kehrt und trat den Rückweg zum Breitscheidplatz an.
Kurz nach halb sieben, Zeit für ein warmes Bad, einen Cocktail in der Bar und den
einen oder anderen Flirt, um ihre schlechte Stimmung zu vertreiben.
    Dass diese
binnen Kurzem auf den Nullpunkt sinken würde, konnte sie nicht ahnen. Auch dann
nicht, als sie die Lobby betrat, ein gezwungenes Lächeln aufsetzte und ein paar
Worte mit dem Empfangschef wechselte, um anschließend Richtung Aufzug zu entschwinden.
    Dort kam
sie jedoch nicht an, sondern blieb unverrichteter Dinge stehen. Schuld daran war
nicht etwa ein aufdringlicher Kavalier, sondern ein älterer Herr, der mit dem Rücken
zu ihr auf einem Sessel saß. Er war so sehr in die Lektüre der Abendzeitung vertieft,
dass er nicht bemerkte, wie sie ruckartig stehenblieb, sich von hinten näherte und
mit wutentbrannter Miene über seine Schulter stierte.
    Erst als
er ihren Atem im Nacken spürte, drehte sich der in den Siebzigern befindliche Hotelgast
um und sah die Frau, deren Blick ihn förmlich zu durchdringen schien, mit gerunzelten
Brauen an. ›Sie wünschen, gnädige Frau?‹ Die Frage lag ihm auf der Zunge, und wäre
ihm sein Gegenüber nicht zuvorgekommen, hätte er sich die Gelegenheit, ein paar
Worte mit ihr zu wechseln, nicht entgehen lassen.
    Dazu sollte
es jedoch nicht kommen. Den Blick auf der Zeitung, die er immer noch in Händen hielt,
rührte sich die mysteriöse Schönheit nicht von der Stelle. Schon dachte er, mit
ihr sei etwas nicht in Ordnung, als sie plötzlich zu sprechen

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