Eifel-Blues
Treppenstufen kam.
Elsa sagte scharf hinter mir: »Es ist nicht notwendig, die Menschheit zu verfluchen, nur weil der Chef eine andere Meinung hat. Ich hole dir die Sachen, und hör auf, den Helden zu spielen. Da ist doch was mit Alfred, oder?«
»Da ist nichts, ich brauche nur frische Luft. Und der Chef ist nicht mein Chef.« Ich hockte mich auf die Treppe und ließ sie vorbei.
Patricia blieb auf dem Weg in die Küche vor mir stehen und sagte: »Ich weiß nicht, ich mag diese alten, verwundeten, faltigen Krieger.«
»Er ist kein Krieger, er ist nur ein irregeleiteter Macho«, sagte Elsa über mir auf der Treppe. Sie war sehr wütend. Dann wurde sie unvermittelt ein wenig sanfter.
»Hör mal, du Sturkopf. Laß dir wenigstens kurz erklären, was mit dieser zweiten Toten ist, dieser Marianne Rebeisen. Ich sagte dir am Telefon, sie sei eine Nutte. Sie war Vollprofi. Die Bruderstraße Nummer 23 in Köln, in der sie gemeldet ist, ist ein Puff. Sie arbeitete in einem Zimmer im ersten Stock und hat oben unter dem Dach eine kleine Wohnung. Die Puffmutter ist ein Mann. Ich habe ihm gesagt, die Rebeisen sei eine alte Freundin von mir. Er wußte wenig von ihr, erzählte aber, daß Männer da waren, die alles über sie wissen wollten. Sie schaffte gut an, eine Spitzenkraft, sagt er, mit sehr viel Stammkundschaft. Ihre privaten Freunde sind Zuhälter und andere Nutten, die meisten kennt er. Er behauptet, daß sie mit ihrem Zuhälter nichts hatte, daß er nicht weiß, wie ihr Freund heißt. Er vermißt sie, hat aber keine Ahnung, wo sie ist. Kannst du dir vorstellen, wie eine Profinutte nachts zu dem Depot in Hohbach kommt und dort mir nichts, dir nichts erschossen wird, achtzig Kilometer vom Puff entfernt?«
»Das ist der Punkt«, sagte ich. »Wir müssen herausfinden, wie sie nach Hohbach kam. Da gibt es keinen Bus und keine Eisenbahn. Wie ist die Nutte Rebeisen in den Wald gekommen? Mir fällt ein, daß der Doktor erwähnte, die Rebeisen sei die Freundin der Kleiber gewesen, also ist es vielleicht normal, daß sie in Hohbach war. Vielleicht wurde sie zufällig umgebracht, weil sei zufällig beim großen Schlamassel anwesend war. Und jetzt laß mir meine frische Luft.«
Ich zog mühsam die Jeans an und ein Hemd, dann noch Sandalen. Ich kroch langsam durch den Flur vor die Tür und sagte: »Nun eßt mal schön, ich komme gleich.« Elsa war zu wütend, um hinter mir herzukommen. Sie hatte den Schlüssel stecken lassen. Ich ließ den Wagen an und gab Gas. Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr hilflos auf einem Sofa zu liegen, und die Schmerzen hielten sich in Grenzen.
Ich fuhr in das Unterdorf hinunter, am Dorfbrunnen vorbei, auf eine alte, schmale Landstraße. Nach sechshundert Metern bog ich in einen Feldweg ab, fuhr am Dorfrand vorbei zurück und bog dann auf die schmale Betonpiste ein, die zum Sportplatz hochführte. Überall waren die Bauern im Heu und grüßten freundlich, wie sie es immer tun.
Auf den ersten Blick war mit Alfred alles in Ordnung. Sein Trecker stand vor dem Heubinder am Waldrand und lief. Lerchen waren über mir.
Alfred reparierte irgend etwas am Hinterrad des Treckers, er schien gebückt an der Achse zu fummeln. Ich konnte nicht näher heran als etwa achtzig Meter.
»Hallo, Landmann!« schrie ich.
Aber dann begriff ich, daß er sich gar nicht bewegte. Er rührte sich einfach nicht.
Ich gab Gas und wurde fast ohnmächtig, als der Wagen auf einer Graswelle hochsprang und zurückfiel, aber ich schaffte es bis zu ihm.
Er konnte nicht fallen, weil er den rechten Arm bis zur Achsel über die Antriebswelle des Heubinders gelegt hatte. Er kniete auf dem linken Knie, das rechte Bein lag bizarr ausgestreckt. Er mußte so ausharren – selbst wenn er tot war.
Da war Blut an seinem Kopf und sehr viel Blut auf seinem hellgraukarierten Hemd.
Er bewegte den Kopf träge zur Seite und lallte etwas. Er hob die Lider mit unendlicher Mühe, aber es wurde kein Blick daraus.
»Alter Mann, hilf uns jetzt«, sagte ich laut. Ich drehte den Treckermotor ab und kniete mich dann vor Alfred. »Was ist denn, verdammt noch mal? Hast du mal wieder im Fahren die Kerzen ausgewechselt?«
Er grinste, es war nicht zu fassen, er versuchte zu grinsen. Aber es blieb ein Versuch, und wahrscheinlich wurde er vor lauter Erleichterung ohnmächtig. Er hatte das Gesicht voller Platzwunden.
Ich machte meine rechte Wagentür auf, schob den Sitz ganz nach vorn und legte ihn flach.
»Komm jetzt«, sagte ich matt. »Ich bin selbst kein
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