Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
Rückruf gebeten hatten, aber ich war unkonzentriert und muffig und war auch nicht an ihnen interessiert. Als Elsa kam, trödelte sie wortlos hinauf in das Zimmer, das ich für Gäste bereithalte, und packte ihre Koffer. Es war schmerzlich, es war so, als lebten wir in zwei Welten. Ich hörte, wie sie langsam und wohl antriebslos umherging. Dann kam sie herunter, stand mit ihren Siebensachen in der Tür und sagte lapidar: »Ich haue jetzt ab.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich bin ein schlimmer Eigenbrötler.«
    »Ich habe dich nur besucht, ich bin nur in die Geschichte reingeschliddert, ich habe nichts gewollt. Ich wollte nur etwas für mich herausfinden.«
    Auf dem Dach sang die Amsel. Sie hockt an jedem Sommerabend seit drei Jahren auf dem verrosteten Antennenmast und erzählt dem Dorf, wie schön der Tag war.
    »Du kannst doch bleiben«, sagte ich. »Es wird nicht wieder passieren.«
    Sie stellte die Reisetasche neben sich. »Sieh mal, Baumeister, ich mag dich einfach. Ich bin doch hierhergekommen, um dir das zu sagen. Und dann ist da diese eklige Bundeswehrsache, und du benutzt die erste Gelegenheit, mich übers Ohr zu hauen. Ohne Grund, Baumeister, ohne Grund. Na klar, ich bin nur eine Frau und habe nicht soviel Erfahrung in diesen Sachen. Und eine Frau haut man bedenkenloser übers Ohr, so ganz nebenbei.« Sie nahm die Reisetasche hoch und ging hinaus. Ich hörte, wie sie alles in ihr Auto kramte und dann vom Hof fuhr.
    Ich hatte plötzlich die unangenehme Vorstellung, Messner würde kommen und mich verprügeln. Ich war vollkommen hilflos, ich würde nicht einmal schnell genug die Arme hochkriegen. Ich rappelte mich also auf und krauchte behutsam in den ersten Stock ins Badezimmer und ließ mir Wasser einlaufen. Ich hatte Schwierigkeiten, die Pflaster abzulösen und durch neue zu ersetzen. Als ich wieder auf dem Sofa anlangte, war ich erschöpft. Ich hatte mich so gefreut auf ein paar einsame Sommerwochen voller Arbeit, und nun war dies geschehen.
    Krümel sprang zu mir hoch und legte sich auf meinem Bauch zurecht. »Das ist alles nicht schön«, sagte ich, »das geht uns alles gegen den Strich. Jeder anständige Deutsche hat ein Recht auf Urlaub.« Ich stopfte mir die Valsesia von Lorenzo, schmauchte vor mich hin und beobachtete das letzte Licht des Abends. Mir war elend, und ich dachte nicht an diesen verzwickten Fall, sondern nur an Elsa, die ich verscheucht hatte. Es war merkwürdig und bedrohlich: Sie kam mir älter, klüger, alles in allem viel erwachsener vor, als ich jemals sein konnte. In diesen Sekunden wäre ich fähig gewesen, ihr das zu sagen, und auch, wie leid es mir tat. Aber sie war nicht da, fuhr sicherlich wütend und verkrampft nach Norden und fluchte auf den Baumeister.
    Ich brauchte zehn Minuten, um mir das Radio an das Sofa zu schaffen. Ich schob Warm Valley mit dem Art-Farmer-Quartett ein. Das Flügelhorn besänftigte mich, und der wirklich kolossale Bassist Ray Drummond löste den kalten Ball in meinem Bauch auf. Krümel kam und versuchte, meine Nase zu lecken, aber da war ein Pflaster, und sie zuckte zurück. »Wir armen, alten Krieger«, seufzte ich. Dann gönnte ich mir noch eine Aufnahme von 1927: Duke Ellington im Cotton Club mit Misty Morning. Es gibt Dinge, bei denen Aspirin nicht hilft ...
    Es gab eine Frage, die ich dem toten Leutnant Lorenz Monning gern gestellt hätte: Wieso haben Sie dienstfrei und werden an Ihrer Arbeitsstelle bei strömendem Regen neben einem Jeep erschossen? Wie sind Sie dahin gekommen, und wie kamen Sie an den Jeep?
    Es machte keinen Sinn, Theorien darüber zu erstellen. Es gab tausend Möglichkeiten, und sie alle würden letztlich der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Und wir wußten nicht einmal, wo dieser Lorenz gewohnt hatte. Wir kannten nicht einmal sein Gesicht.
    Ich hörte mich selbst seufzen.
    Die biblische Patricia hatte die ungeheuren Mengen Abendessen in den Eisschrank gestellt. Ich machte mir etwas davon warm, als Dr. Naumann hereinkam, auf einen Stuhl plumpste, scharf ausatmete und erklärte: »Ich möchte Ihren Beruf nicht haben. Das ist ja ekelhaft.«
    »Das habe ich mir nicht ausgesucht«, sagte ich. »Die meisten Geschichten verlaufen sehr friedlich. Wie geht es Alfred?«
    »Ich habe ihn nach Hause fahren können. Es geht ihm, wie es Ihnen ging. Er flucht und ist sauer auf Sie, weil Sie ihm gesagt haben, Sie hätten die Fotos von einem Bundeswehrsoldaten gekauft.«
    »Das war sehr richtig, und ich habe das sehr überlegt getan.

Weitere Kostenlose Bücher