Eifel-Blues
Alfred?«
Mein Blickfeld wurde klarer, es war ein Arzt. »Was ist mit dem Mann, den ich hergebracht habe?«
»Na ja, wie das so ist bei Prügeleien ohne Handschuhe. In welcher Kneipe war das denn?«
»Das sage ich nicht.«
»Schade«, grinste er. »Fühlen Sie sich o. k.?«
Ich kam hoch und setzte mich hin. »Es geht schon. Was ist mit dem Mann?«
»Eigentlich nichts weiter. Schwere Gehirnerschütterung, zwei bis drei Dutzend Platzwunden. Habt ihr einen Profiin eurer Gegend?«
»Ja. Wie komme ich zu Alfred?«
»Geht nicht. Wird unter Narkose versorgt.«
»Dann warte ich eben.«
»Helden wie in einem Wildwestfilm«, schnaufte er und schüttelte den Kopf. »Bleiben Sie noch eine Weile liegen. Es ist doch noch gar nicht so lange her, daß ich Sie verbunden habe, oder?«
»Und es geht ihm gut? Nicht gefährlich?«
»Im Prinzip alles in Ordnung«, sagte er und ging hinaus. Dann kam eine unförmig dicke Frau in einem pink-farbenen Pullover, grauen Rock und diesen entsetzlichen weißen Krankenhaus-Gesundheitsschluffen. Sie sah mich nicht an, hockte sich mit einem Formular auf einen Stuhl und fragte: »Name? Vorname? Kasse? Betriebsunfall?«
»Moment mal«, stotterte ich.
»Sie liegen aber doch bei uns.«
»Nicht freiwillig«, sagte ich.
Sie lächelte böse und murmelte: »Wer liegt hier schon freiwillig? Also gehen Sie wieder? Ich muß den Arzt fragen. Na ja, fangen wir mal an. Behandelnder Arzt?«
»Ihr seid hier schlimmer als das Finanzamt«, sagte ich. »Ich verschwinde.« Ich ließ mich vorsichtig von der Liege herunter und ging hinaus.
Draußen auf dem Krankenhausflur war niemand zu sehen. Ich wanderte eine Weile und richtete mich nach einem grünen Pfeil. Ich erreichte so etwas wie eine trostlose Halle mit Gummibäumen, die so aussahen, als hätten sie die Intensivstation nötig. Da waren sie einträchtig versammelt: Elsa, der Chef, die biblische Patricia und Dr. Naumann.
»Ich habe Dr. Naumann verständigt«, sagte Elsa süßsauer. »Wir dachten, du seist ausgeflippt und wolltest ein Autorennen veranstalten.«
»Ist Alfred irgendwo?«
Naumann sagte: »Ja, aber der schläft noch. Ich bringe ihn nach Hause, wenn er entlassen wird.« Er sah so aus, als sei er entnervt. »Sie sollten sich heimfahren lassen.« Er zog mich beiseite. »Was war denn eigentlich?«
»Bundeswehr.«
»Aber Soldaten prügeln doch nicht.« Er hatte ein graues Gesicht. »Diese Brutalität macht mich ganz krank, die müssen eine Menge zu verbergen haben. Sind die aufgehetzt worden?«
»Sicher. Aber das wird nicht zu beweisen sein. Wer melkt Alfreds Kühe?«
»Ich kümmere mich darum, ich finde jemanden im Dorf. Sie sollten jetzt wirklich nach Hause fahren. Was ist da bloß gelaufen? Gehen Sie heim und schlafen Sie.« Er ging davon und verschwand hinter einer Tür.
Elsa fragte: »Fahren wir jetzt?«
»Ja«, sagte ich.
Der Chef stand da und hielt sein Kinn fest. »Machen Sie die Geschichte, wie Sie wollen«, sagte er matt. »Wenn Sie Geld brauchen, ist das kein Problem. Unterrichten Sie mich privat und passen Sie auf sich auf.«
»Danke«, sagte ich.
Er ging davon auf den Ausgang zu, die biblische Patricia im Schlepptau.
»Er hatte richtig Angst«, sagte Elsa leise.
»Ich auch«, sagte ich. »Und du auch. Laß uns fahren.«
FÜNFTES KAPITEL
Es herrschte ein verbissenes Schweigen. Schließlich fuhr sie in einen Waldweg, stoppte, sah auf ihrer Seite aus dem Fenster und sagte: »Ich steige aus der Geschichte aus, Baumeister. Ich ertrage diese sinnlose, fürchterliche Gewalt nicht. Das erinnert mich an das furchtbare Geschwätz meines Vaters über die wunderbare Kameradschaft an der Ostfront. Und außerdem bescheißt du mich, und das macht mir am meisten zu schaffen.«
»Ich bin abgehauen, um Alfred zu helfen.«
»Ja. Und das wird sich wiederholen. Du wirst zwar anschließend immer so gnädig sein, mich darüber zu informieren, was vorgefallen ist, aber zuerst wirst du mich übers Ohr hauen. Du wirst sagen, du gehst an die frische Luft, und du wirst verschwinden und verprügelt werden oder jemanden verprügeln. Das ist nichts für mich.«
Sie stieg aus, ging ein paar Schritte, reckte sich, pflückte einen langen Grashalm und weinte ganz still wie ein kleiner Clown, dem die Pointe vermiest wurde.
»Ich möchte von hier aus zu Fuß gehen«, sagte sie endlich. »Ich möchte allein sein.«
Ich fühlte mich elend, rutschte hinter das Steuer und fuhr langsam nach Hause.
Ich erledigte Post, rief ein paar Leute an, die um
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