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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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gelungen. Stattdessen war
ihr Gelächter über das eigene Alter und seine Wehwehchen immer lauter geworden.
Von ihr stammt der berühmte Satz: »Heute, mein Lieber, geht es mir blendend.
Abgesehen von den anhaltenden Schwindelgefühlen, dem Ziehen in der rechten
Nierengegend, der Atemnot, den häufig auftretenden ekelhaften Blähungen und
drei beschissenen Hühneraugen.«
    Cisco lief zu ihr und nahm neben ihr auf dem Sofa Platz.
Sie streichelte ihn gedankenverloren, sah mich an und fragte: »Im Ernst, was
ist mit dir los?«
    Â»Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich ist einfach tatsächlich
nichts los und ich kann nicht zugeben, dass das so ist.«
    Â»Warum kommst du nicht zu mir, um zu reden? Warum gehst
du nicht zu Rodenstock und Emma? Warum verkriechst du dich in dieser Bude?«
    Â»So eine Phase hat doch jeder mal.«
    Â»Deine Weisheit betört mich.«
    Â»Ich will euch nicht auf den Nerv gehen.«
    Â»Das ist eine sehr dumme Bemerkung.«
    Satchmo tauchte maunzend auf und rieb sich an ihren
Beinen. Dann sprang er neben Cisco auf das Sofa, rollte sich ein und blinzelte
träge.
    Â»Ich habe eben einen Witz gelesen«, sagte sie. »Einen aus
der Eifel: Da erlaubt die Großmutter der kleinen Enkelin, auf dem Dachboden
herumzustöbern. Dann kommt die Kleine herunter, rennt zur Omi und sagt: ›Guck
mal, da lag dieser Regenschirm.‹ Und sie zeigt einen alten Schirm, dessen
Speichen verbogen sind und dessen Tuch zerrissen ist. ›Der ist kaputt, den
schmeiße ich jetzt in die Mülltonne!‹ Daraufhin sagt die Oma: ›Nein, nein,
nein. Für im Haus zu tragen, reicht der immer noch!‹« Tante Anni strahlte mich
an.
    Â»Du hast gewonnen«, sagte ich und konnte mir ein Grinsen
nicht verkneifen.
    Â»Wenn ich einen Schnaps haben könnte …«, erwiderte sie
bescheiden.
    Ich goss ihr einen Obstler vom Stefan Treis von der Mosel
ein und sagte: »Shalom!«
    Vorsichtig nippte sie an dem Gebräu. »Weißt du, Junge,
wir haben nur diesen einen Tanz.«
    Â»Ich habe davon gehört.«
    Â»Dann tanz! Es muss ja nicht gleich ein Wiener Walzer
linksherum sein, es reicht auch ein Schieber.« Sie kicherte. »Wir nannten das
früher Schieber, wenn ein Mann seine Partnerin mit starrem Gesicht und seiner
ganzen Figur einfach vorwärts schob und dabei den Eindruck erweckte, als
besuche er seine eigene Beerdigung. Und jetzt gehe ich spazieren. Gehst du
mit?«
    Â»Nein, ich bleibe hier. Ich lache noch ein bisschen über
deinen Witz.«
    Â»Mach das«, nickte sie und trank den Schnaps aus. Dann
stand sie auf und verschwand über die Terrasse. Sie hinterließ einen sanften
Duft nach Eau de Cologne.
    Ich fütterte die Fische und stellte fest, dass sich die
englische Wasserminze geradezu wüst ausbreitete und mindestens drei Meter in
das Wasser hineingewachsen war. Da, wo sie sich nicht hatte durchsetzen können,
war das rankende Vergissmeinnicht mit langen hellgrünen Trieben und kleinen
hellblauen Blüten wie ein Keil über die Oberfläche geschossen. Das alles war
entschieden zu viel Grünzeug. Sogar die Sumpfsegge hatte sich Anteile des
Wassers erobert. Ich wünschte mir zum tausendsten Mal ein kleines Gummiboot,
damit ich meinen Hintern nicht nass machen musste, wusste aber gleichzeitig,
dass ein nasser Hintern an einem warmen Tag ungeahnte Wohligkeit verbreiten
konnte. Wie auch immer: Ich würde mannhaft sein und tapfer und endlich den
Teich säubern.
    Am Vogelhäuschen tummelte sich ein Schwarm Sperlingsvögel,
wenngleich die Futterquelle leer war. Macht der Gewohnheit. Ein Rotkehlchen
gesellte sich dazu und kurz darauf ein Dompfaff. Ich hockte auf dem
Plastikstuhl in der Sonne und dachte über Tante Annis Bemerkungen nach. Ich kam
zu dem Schluss, dass ich nichts anderes war als ein melancholischer,
stinkfauler Fastfuffziger, der einfach vor sich hin gammelte, statt irgendetwas
zu unternehmen, was Sinn machte. Am meisten stank mir, dass ich mich in diesem
vollkommen idiotischen Zustand auch noch bedauerte.
    Die pechschwarze Katze von Doro schlich langsam um die
Hausecke, sprang an der Terrassenmauer hoch, linste ins Haus, drehte sich,
entdeckte die kleine Schale mit den Brekkies, hockte sich andächtig davor und
genehmigte sich ein Häppchen. Ich wollte sie warnen, aber es war zu spät: Hoch
aufgerichtet wie ein gefalteter Bettvorleger betrat Satchmo die Bühne und
zitterte vor

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