Eifel-Liebe
ginge es um eine Audienz bei der Königin.
In Jules Wohnzimmer hatte sich nichts verändert, auch der Sessel stand noch an seinem Platz, auf dem Jule wieder saß, rauchte und in den Garten schaute. Etwas erschrocken dachte ich, ich hätte das Zimmer erst vor Stunden verlassen. Sogar die Auswanderungsdokumente und alle Unterlagen für die Hochzeit, die Mama auf den Tisch geknallt hatte, um zu beweisen, dass wirklich nichts fehlte, lagen noch auf dem gleichen Fleck. Als hätte das Leben hier aufgehört und jede Lust verloren, etwas zu verändern.
Mama schlich lautlos zu einem Stuhl und setzte sich. Ich nahm einen zweiten Stuhl und trug ihn neben den Sessel von Jule.
»Wieso wollen Sie mich warnen? Vor was?«, fragte sie mit ihrer trägen, faszinierenden Altstimme.
»Kennen Sie einen Mann namens Jenö Schildgen, so ein ziemlich langer Mensch?«
»Nein, nie gehört.«
»Über eins neunzig groß. Ist nie über so einen Mann geredet worden?«
»Nein«, sagte sie unwillig. »Hören Sie schlecht?«
Ich dachte: Wenn du sowieso bluffen und lügen willst, Baumeister, könntest du es ein bisschen eindringlicher gestalten! Gib ihr Futter, los! »Jenö Schildgen ist der Mann, der Ihren Verlobten erschossen hat.«
Nun kam Bewegung in ihre schmale Gestalt. Sie streckte sich und drehte sich zu mir.
»Er ist ein Profikiller«, setzte ich ohne Betonung hinzu, als sei so ein Mensch etwas Normales in der Eifel.
Ihr Mund verzog sich verächtlich. »Ihr Pressefritzen seid doch alle gleich. Ihr könnt es euch nicht erlauben, erfolglos zu sein, und kommt dann mit wilden Geschichten, nur um ein Gespräch beginnen zu können. Das ist doch zu dumm.«
Ich hatte mir eine bestimmte Rolle ausgedacht und wollte konsequent bleiben. Sanft sagte ich: »Ich weiß nicht, ob Ihnen schon einmal jemand gesagt hat, dass Sie impertinent und arrogant sind. Ich habe nicht die geringste Vorstellung davon, warum Sie mich und meinen Berufsstand so überheblich verurteilen, obgleich Sie von unserer Arbeit nicht die geringste Ahnung haben. Und ich weiß auch nicht, warum Sie mich beleidigend und unhöflich behandeln. Wie Sie mit so einer Haltung auf Neuseeland überleben wollen, ist mir ein Rätsel. Aber nun gut. Ich bin hierher gekommen, um Sie vor diesem Jenö Schildgen zu warnen. Der Mann ist aller Wahrscheinlichkeit nach von Bliesheim beauftragt worden, Menschen zu töten, die Bliesheim gefährlich werden können.« Ich fummelte das Handy aus der Tasche und tippte Kischkewitz’ Nummer ein. »Hier fragen Sie den Leiter der Mordkommission in Wittlich. Dessen Stimme kennen Sie doch, oder? Na los, nehmen Sie.«
Sie nahm das Handy, räusperte sich: »Ja, hier ist die Verlobte von … – Ja, genau. Also, Baumeister ist gerade hier und behauptet, da wäre ein Mann unterwegs, der möglicherweise Menschen tötet, die zu viel über Bliesheim wissen. Ich will wissen, ob das stimmt. – So, na ja, danke für die Auskunft. – Ja. Moment, hier ist er.« Sie reichte mir das Gerät zurück.
»Ja, mein Alter?«, fragte ich aufgeräumt.
»Was soll das? Wir haben keinen endgültigen Beweis für Jenö, den Killer.«
»Richtig. Der endgültige Beweis wäre die nächste Tote, nicht wahr?«
Er lachte unterdrückt, er hatte verstanden »Du bluffst, hä?«
»Das kann man so sehen.«
»Friede deiner Asche.« Er beendete das Gespräch.
»Das ist ja richtig gefährlich«, sagte Mama hinter mir verängstigt in die Stille. Dass ich ihre Tochter beschimpft hatte, schien sie wenig zu stören.
»Warum sollte dieser Mann mich … umbringen?«, fragte Jule fast gelangweilt.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte ich knapp. »Sie sind eine merkwürdige Frau. Sie behaupten, von nichts irgendetwas gewusst zu haben. Die Polizei findet hier in einer Schublade einen Haufen Bargeld und Sie behaupten erneut, von nichts gewusst zu haben. Ihr Verhalten ist beleidigend, denn Sie halten offensichtlich alle anderen Menschen um sich herum für komplette Idioten. Allerdings lässt Ihr Verhalten auch einen anderen Schluss zu: Sie wissen so viel, dass Sie im Schweigen die einzig mögliche Rettung sehen. Und da ich vermute, dass ich damit den Nagel auf den Kopf treffe, gestatte ich mir die Frage, warum Sie verschwiegen haben, dass Ihr Verlobter Kinsi erschlagen hat.«
Ihre Augen wurden augenblicklich groß, ihr fehlten die Worte. Sie stotterte: »Aber … das ist doch. Wie kommen Sie … das ist nicht zu fassen!« Dann hatte sie sich gefangen. »Was sagen Sie da?«
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