Eifel-Liebe
den Schnösel an«, Rodenstock lachte. Vor ihm lag Bitterschokolade auf einem Tellerchen. Daneben standen ein Kognak und ein Kaffee. Und im Maul trug er eine ofenrohrdicke Zigarre, um die herum er sich zu artikulieren versuchte. Er sah prächtig und ausgeruht aus.
»Wie geht es euch?«
»Gut«, sagte Emma. »Bis auf die Tatsache, dass dein Bericht und Kischkewitz’ Erzählung Rodenstock schon wieder in andere Welten entführt haben. Er hat stundenlang herumtelefoniert und heute früh tauchte ein hilfloses, verunsichertes Ehepaar bei uns auf. Alles deine Schuld, Baumeister.«
»Hast du deine Cadillacs schon verhökert?«
Mit Entzücken in der Stimme hauchte sie: »Ich denke, ich habe einen Abnehmer gefunden. Es gibt tatsächlich Idioten, die eine Halle bauen und ihre gesammelten Oldtimer da reinstellen. Nur so, um sie zu begucken und mit dem Staubwedel drüberzugehen und dabei glücklich zu sein. Und einer von denen bietet mir eine Million.«
»Eine Million Euro!«, sagte Rodenstock stolz. »Meine Frau ist eine richtige Handelsfrau.«
»Ja«, nickte sie, »allerdings will er die Transportkosten noch nicht übernehmen. Aber ich habe Zeit.« Sie lehnte sich zurück und wirkte wie eine satte, zufriedene Katze.
»Ich habe Wein entdeckt«, sagte Tante Anni. »Im Keller. Und der Besitzer trinkt doch nichts. Darf ich eine Flasche aufmachen?«
Ohne auf meine Zustimmung zu warten, verschwand sie.
»Sie ist eine tolle Type«, sagte Emma.
»Ja, das stimmt. Sie braucht Hilfe, dass sie nicht in irgendeinem Altenheim landet.«
»Sie soll den Berliner Klumpatsch verscherbeln«, nickte Rodenstock resolut. »Dann besorgen wir ihr hier in der Gegend eine kleine Erdgeschosswohnung und sie braucht erst dann in ein Pflegeheim zu gehen, wenn ein Arzt meint, dass sie sich bald verabschieden wird.«
»Nicht schlecht«, stimmte ich zu. »Ich habe an so etwas Ähnliches auch schon gedacht, mich aber noch nicht getraut, das vorzuschlagen.«
Tante Anni kam zurück, baute Gläser und die Weinflasche auf, stellte eine Schale mit Keksen auf den Tisch, die grauenhaft schmeckten und an gut verrührten Zement erinnerten.
Sie warf mir einen schrägen Blick zu und murmelte: »Vollkorn mit Apfelsüße!«, als sei das der absolute Gipfel aller Genüsse.
»Emma, hast du die Zusammenfassung auch gelesen? Wenn ja, was hältst du von der Sache?« Ich spürte, dass mir diese Frage ein vages Gefühl von Glück bereitete und mir deutlich machte: Sie sind wieder da.
»Ja, ich habe deinen Bericht gelesen. Und ich hatte bei der Lektüre das Gefühl, einen Ballon vor mir zu haben, die Sache blähte sich immer weiter auf. Ich weiß nicht, ob ich euch klar machen kann, was ich meine. Erst ist da nur eine Clique. Skatspielen, Feiern, Wochenendtouren. Dann haben die Mitglieder der Clique Geld ins Ausland gebracht, Drogengeld. Und plötzlich sogar Diamanten. Ein Kaplan als Kurier eines Kokainhändlers. Es kommen Torpedos hinzu, jetzt sogar eine Kokain-Connection, wenn nicht auch noch Heroin. Das verwirrt, ich denke: Halt, stopp, aufhören!« Sie wedelte mit ihren Händen. »Es wächst mir über den Kopf, ich verstehe es nicht mehr.«
Rodenstock lutschte an einem Stück Bitterschokolade, zog einmal kräftig an seiner Brasil und sagte etwas verkniffen: »Hört euch die Geschichte von Bliesheim als Retter in der Not an. Diese Torpedogeschichte hat mich interessiert, deshalb habe ich mich ein wenig umgehört. Bliesheim stellte also eine Mannschaft zusammen aus Vorbestraften und solchen Leuten, die für Geld so ziemlich alles machen. Er steuert diese Gruppe vom belgischen St. Vith aus, wobei er ungeheuer geschickt die zwischenstaatlichen Lücken nutzt. Zum Beispiel kann ja die Kripo in Aachen nicht mal eben rüber nach Belgien, um dort irgendwelche Details zu klären, und umgekehrt. Von behördlicher Seite dauert alles entsetzlich lang und versandet in der Regel. Nun zu meiner Geschichte, die zeigt, dass die Aktivitäten von Bliesheim und seinen Torpedos längst darüber hinausgehen, im Auftrag Dritter Forderungen einzutreiben. Bliesheim vernichtet Existenzen! Also: Da gibt es ein deutsches Ehepaar, krankhaft darauf bedacht, seinen guten Ruf zu wahren. An die wendet sich ein Autoaufkäufer, kauft in ihrem Geschäft etwa zweihundert gebrauchte Autos. Dann setzt sich der Aufkäufer mit unbekanntem Ziel ins Ausland ab – das Ehepaar steht vor dem Ruin. Es geht um siebenhunderttausend Euro. Bliesheim hört davon und bietet seine Dienste an.
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