Eifel-Liebe
nicht in Meerfeld.
Ich lenkte den Wagen nach rechts auf den großen Parkplatz am Maar, den die Leute benutzten, wenn sie spazieren gehen oder ins Wasser hüpfen wollten, um nachzudenken. Auf die Frage: Kennst du Meerfeld?, hätte ich normalerweise »Selbstverständlich!« geantwortet. Nun wurde mir bewusst, dass ich wenig über das Dorf wusste.
Ich stellte mir Oma Ohler vor, die wohl irgendwo vor mir in einem der Häuser rechts oder links des Kirchturms in ihrer Küche hockte. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass ich aufkreuzte, und formulierte im Geiste erneut triumphierende Sätze wie: »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass mit dieser Clique etwas nicht stimmt!«
Alles in allem hatte sich ihr Misstrauen ja tatsächlich bestätigt: Kinsi hatte sich aufgehängt und Elvira Klein war brutal erstochen worden. Jetzt würde gleich der Kriminalist Gerald Özcan bei ihr anklingeln und ihr gnadenlos zeigen, auf was es wirklich ankam. Er würde ihr alle Gerüchte aus dem Hirn blasen und sie vermutlich auch darauf aufmerksam machen, dass sie mit so einem losen Maul gefährlich lebte. Ich musste grinsen, als mir ein Satz in den Sinn kam, der gut auf Oma Ohler passte: »Ich weiß, was ich weiß!«
Plötzlich war mir klar, wer die erste Figur war, die ich mir ansehen wollte: Rolli! Rolf Hennef, der Mann, den Anna scheinbar gnadenlos beiseite geschoben hatte, weil ihr ein neuer Mann alles bot, was sie in ihrem bisherigen Leben vermisst hatte. Rolli wohnte jetzt in Manderscheid, hatte Oma Ohler erzählt.
Ich startete und fuhr zurück auf die enge Straße Richtung Manderscheid, die eine Reihe fulminant knüppelharter, welliger Kurven bietet, in denen jeder Lastwagen das Chaos bedeuten kann. Ich beeilte mich, als käme ich zu spät zu einer wichtigen Verabredung.
Wer konnte wissen, wo Rolli wohnte?
Mir fiel Martin Krause ein, der einerseits Wirt in der Alten Molkerei war, aber andererseits auch in der Gemeindeverwaltung saß und so freundliche Dinge wie Steuern zu verwalten und einzutreiben hatte.
Natürlich wusste er es: »Oh, klar«, sagte er ohne jedes Zögern freundlich. »Der ist auch im Verein.« Und ohne zu erklären, um welchen Verein es sich handelte, fügte er an: »Du fährst runter nach Niedermanderscheid. Da ist links im Hang ein Haus. Mit viel Holz außen dran. Da wohnt er. Gibt es was Besonderes? Jetzt, wo doch Elvira Klein … na ja, wo sie ermordet wurde?«
»Damit hat das nichts zu tun«, sagte ich und bedankte mich. In der Eifel sollte es einen nie verwundern, dass all das, was du exklusiv zu wissen glaubst, schon alle anderen wissen.
Eine Treppe führte zu dem Haus hoch, das dunkelbraun und freundlich weinrot gestrichen war. Es gab keine Klingel, also klopfte ich lärmend und rief: »Hallo!«
Ein Mann riss die Tür auf und sagte aggressiv: »Hallo!« Sein Gesicht war kreidebleich, drei Tage nicht rasiert, sechs Tage nicht gewaschen.
Er setzte hinzu: »Ich hoffe nicht, dass du mir eine Versicherung verkaufen willst. Ich hasse Versicherungsvertreter.«
»Ich bin Siggi Baumeister aus Dreis-Brück. Oma Ohler war bei mir. Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
»Die schon wieder!«, murmelte er rau. »Aber nur kurz.« Dann drehte er sich um und ging zurück in das Haus. Rolli war ein schlanker Mann mit unruhigen braunen Augen, dichtem schwarzem Haar und einem schmalen Gesicht. Er wirkte wie ein angeschlagener Boxer, der nie wirklich eine Chance gehabt hatte.
Wir betraten einen Raum, der vollkommen in Holz gehalten war. Neben einem Sofa, auf dem bunte Wolldecken lagen, stand eine Stehlampe und warf einen freundlichen gelben Schein auf eine Sitzecke aus Fichtenholz, belegt mit vielen ebenso bunten Polsterteilen und Kissen.
»Setz dich«, sagte er muffig. »Die Alte ist ja ganz nett, aber sie erzählt auch viel Quatsch.« Er ließ sich in einen Sessel fallen und fügte hinzu: »Was hast du mit ihr zu tun?« Sein linkes Augenlid zuckte, er hatte einen Tic.
Ich setzte mich in den Lichtkreis der Stehlampe auf das Sofa. »Sie wollte mich engagieren, sie sucht einen Privatdetektiv, der diese Clique in Meerfeld untersucht. Sie glaubt, dass diese Clique irgendwie unsauber ist. Sie will Ihnen helfen, sie will …«
»Ich weiß, was Oma Ohler will. Sie will, dass ich zu meiner Ex und den Kindern zurückkehre und so tue, als sei nichts gewesen.« Seine beiden Hände öffneten und schlossen sich, das Augenlid zuckte in einem schneller werdenden Rhythmus, er war wütend. »Das ist doch alles
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