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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Für Sekunden blieb ich in dem schmalen Flur stehen, weil es so dunkel war, dass sich meine Augen erst an die Verhältnisse gewöhnen mussten. Rechts von mir befand sich eine Tür. Dahinter verrichtete der Staubsauger seine Arbeit. Ich klopfte sehr fest und der Staubsauger wurde augenblicklich abgestellt.
    Die Tür ging auf und eine Frau sagte: »Ja?«
    Sie machte einen abwesenden, unkonzentrierten Eindruck, so als habe ich sie bei etwas Wichtigem gestört.

    »Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«

    »Ja. Komm rein. Vom Amt? Wegen der Papiere?«

    »Nein, ich bin nicht vom Amt. Ich möchte etwas über …« Wie hieß er eigentlich richtig, verdammt noch mal? »… ich möchte etwas über Kinsi erfahren.«

    Nichts an der Bitte schien sie zu verwundern. Sie hielt die Tür weit geöffnet, nickte nur. Sie war eine schmale Frau, vielleicht fünfunddreißig Jahre alt. Das dunkelbraune Haar war modisch kurz geschnitten und ihr Kittel mit einem bunten Blumenmuster bedruckt. An den Füßen trug sie derbe Schuhe, als müsse sie gleich aufs Feld, dazu weiße Wollsocken und Jeans. Ihre Augen waren eisblau und wirkten seltsam durchdringend in dem kleinen, sehr fraulichen Gesicht.

    Sie machte eine weit ausholende Geste. »Setz dich.«

    Ich nahm auf einem Sofa aus dunkelblauem Tuch Platz, das neueren Datums war. »Ich kannte Kinsi selbst nicht. Oma Ohler hat mir von ihm erzählt. Kennen Sie Oma Ohler?«

    »Ja sicher. Sie hat gesagt, sie will unsere Trauzeugin sein. Man nimmt ja sonst Jüngere, aber sie ist gut als Trauzeugin. Da kann dir nix passieren.«

    Die Frau sprach mit starrem Gesicht, kein Muskel bewegte sich. Sie hockte sich auf die vordere Kante eines Sessels, der ebenfalls neu zu sein schien. Sie schaute auf den Boden, sie war nicht wirklich aufmerksam, als wäre ihr Geist ganz woanders.
    »Ich mach hier sauber für die Beerdigung.«

    »Ja, klar«, entgegnete ich und überlegte, wie ich sie zum Reden bringen konnte.

    »Ist viel Arbeit hier«, sprach sie hohl weiter. »Da brauche ich noch Stunden.«

    Ich sah mich um. Der Raum wirkte behaglich und vor allem sehr sauber. Es gab die dunkelblaue Sitzecke, dann einen kleinen Sekretär mit einer schräg liegenden Klappe. An den Wänden Drucke in kräftigen Farben, die Bibel-Illustrationen von Marc Chagall. Das hätte ich in der Behausung eines angeblich zurückgebliebenen Menschen nicht erwartet. Die Lampen waren einfache Spots, vier insgesamt, sehr harmonisch angeordnet. An der Wand stand ein Regal mit Büchern. Unter den Büchern einige, die mich noch mehr als die Drucke von Chagall erstaunten: fast das komplette Werk von Grass, aber auch vieles von Böll und Lenz.

    »Las Kinsi diese Bücher etwa?«, fragte ich verblüfft.

    »Ja«, nickte sie. »Immer las er solche schweren Sachen. Ich kann so was nicht lesen, das verstehe ich nicht. Da muss ich jedes Mal das wieder lesen, was ich gestern gelesen habe. Ich kann mir das nie merken. Ich lese lieber Liebesromane und so was.« Sie leierte die Worte regelrecht, schien immer noch in einer anderen Welt.

    Rücksichtnahme in irgendeiner Form war mir plötzlich scheißegal. Wie konnte jemand, den Oma Ohler als kindlich und geradezu als schwer zurückgeblieben beschrieben hatte, Bücher von Grass und Böll lesen? Wie konnte jemand, von dem ein Mann im Dorf behauptet hatte, er könne kaum schreiben, Werke von Lenz lesen? Wie kam so ein Mensch dazu, sich Bilder von Chagall an die Wände zu hängen?

    Ich überlegte einen Moment und sagte dann zögerlich: »Junge Frau, ich weiß nicht einmal Ihren Namen.«

    »Ich heiße Beate Laach, aber alle nennen mich Bea. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt. Ich bin aus Münstermaifeld und arbeite in einem Gasthof. Ich mache die Zimmer zurecht und helfe bei der Bedienung aus, wenn viel los ist. Und ich spüle die schweren Sachen, putze Gemüse, schäle Kartoffeln und so was. Es ist eine gute Arbeit. Ich bekomme Kost und Logis und reichlich Geld für mich.«

    Sie sagte das wie ein Kind ein Weihnachtsgedicht und noch immer war ihr Gesicht starr.

    »Ich bin der Siggi. Ich bin hier, weil … Eine Frau ist heute Nacht umgebracht worden. Und ich …«

    »Die Nachbarin hat mir von der Frau erzählt.« Bea nickte ernsthaft und ihre Augen glitten einen Moment lang über mich hinweg. Dann starrte sie wieder auf den dunkelblauen Teppich zu ihren Füßen.

    »Jedenfalls bin ich hierher gekommen, weil ich wissen wollte, wie Kinsi gelebt hat. Ich habe … ich habe von ihm gehört.« Baumeister,

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