Eifel-Liebe
äußerste Notfall war eingetreten, und wählte die Nummer.
»Ich will dich nicht nerven. Aber Oma Ohler hat mir erzählt, dass eine gewisse Elvira Klein getötet wurde. Stimmt das?«
»Ja, aber ich habe keine Zeit.«
»Ist das zwischen der Bleckhausener Mühle und der Straße von Meerfeld nach Manderscheid passiert?«
»Auch das stimmt. Und ich habe noch immer keine Zeit … Beeile dich. Ich brauche Auskünfte.«
»Wie bitte?«, fragte ich verblüfft.
Wir waren befreundet, aber er unterstand den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen eines Beamten. Wenn wir in einem Fall miteinander zu tun hatten, tanzten wir beide auf einem messerscharfen Grat zwischen Schweigen und Information, zwischen Vertrauen und verordnetem Misstrauen.
»Die Frau, die du Oma Ohler nennst«, erklärte er. »Ich will genau wissen, was sie dir erzählt hat, wie sie auf dich gewirkt hat. Also setz deinen Hintern in Bewegung und komm her!«
Folgsam startete ich den Wagen wieder und beeilte mich.
Der Himmel zeigte sich immer noch grau und wolkenverhangen, aber es war trocken, der Temperaturfühler am Auto behauptete, es wären einundzwanzig Grad. Ich hatte keinen Blick für Ortsdurchfahrten und Landschaften.
Die L 50, die Straße nach Manderscheid, verläuft in sanften Kurven hinunter ins Tal der Kleinen Kyll. Unübersehbar der Punkt, an dem der Weg, der nach links zur Bleckhausener Mühle führt, mündet. Ein Streifenwagen stand dort, besetzt mit einem Uniformierten, der ausstieg, als ich hinter ihm bremste. »Sie können hier nicht durch.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Mein Name ist Siggi Baumeister, ich bin von Kriminalrat Kischkewitz bestellt. Ist es noch weit bis zum Tatort?«
Er lächelte leicht. »Ob es ein Tatort ist, wissen wir noch gar nicht. Bis jetzt ist es erst mal nur ein Fundort.«
»Na gut, ein Fundort«, wiederholte ich friedlich.
Er ging zu seinem Fahrzeug und sprach etwas in sein Funkgerät. Dann kehrte er zurück und nickte. »Okay. Aber Sie müssen zu Fuß gehen. Halten Sie sich bitte in der Mitte des Weges. Von wegen der Spuren und so.«
Ich versprach es ihm und stiefelte los.
Zu Beginn stieg der Weg an, war asphaltiert und ausgebaut wie ein Wirtschaftsweg. Das Tal des Flüsschens lag rechter Hand tief unter dem Wanderer und die Wiesenflecken leuchteten in einem beinahe unwirklichen Grün. Es gab eine Menge Haselbüsche am Hang, dazu Ginster und vereinzelte Fichten. Unten im Tal standen Gruppen von Erlen, ein paar von ihnen mitten im Fluss. Ein äußerst romantischer Flecken Eifel. Nach ein paar hundert Metern endete das Asphaltband und wurde zu einem mit Grundschotter belegten Pfad. Der Weg war uralt und einmal die beste Verbindung zwischen Manderscheid und Schutz gewesen.
Ungefähr da, wo der Asphalt endete, stand der Bereitschaftswagen der Mordkommission, der alles enthielt, was eine Kommission an einem Tatort brauchte.
Kein Mensch war zu sehen. Dafür funkelte plötzlich die Sonne durch ein blaues Loch. Nach rechts führte ein breiter Wiesenweg den Hang hinunter und schlängelte sich zwischen einem großen Gebüsch aus Schlehen und Haselnuss und einem kleinen Fichtenwäldchen sanft in das Tal.
Ich wollte schon weitergehen, als er mir entgegengeschlendert kam und Stormy Weather vor sich hin pfiff. Der junge Kripomann bemerkte mich und lächelte. Seine so kühle Intellektuellenbrille reflektierte im Licht.
»Ich soll Sie abholen«, erklärte er leichthin. »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Gerald Özcan.«
»Sind Sie Kurde?«, fragte ich erstaunt.
»Ja und nein«, antwortete er. »Ich wurde in Deutschland geboren. Meine Eltern sind Kurden, aber schon ein Leben lang hier. Sie haben ein Gemüsegeschäft in Frankfurt, frisches Obst und so.«
»Wie sind Sie zu den Bullen gekommen?«
Er lachte. »Das fragt mich jeder. Ich mag Deutschland, es ist mein Land. Und es ist doch so, dass alle Bullen antreten, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. So auch ich. Kommen Sie. Mein Herr und Meister wartet.«
Wir liefen langsam den Weg zurück, den er gekommen war.
»Was ist mit Kinsi?«, fragte ich.
»Noch nichts Neues«, erwiderte er kurz. »Die Gerichtsmediziner hatten noch keine Zeit. Aber Kinsi ist auch nicht eilig, bei dem ist die Sache ja wohl klar. Diese Geschichte hier ist eilig. Sie ist komisch und rätselhaft.«
»Wieso komisch?«
»Das werden Sie gleich sehen. Welchen Eindruck hat diese Oma Ohler auf Sie gemacht?«
»Sehr resolut. Sie weiß, was sie
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