Eifel-Liebe
Mord am Hals. Pack das Eisen weg.«
»Ruf Rainer Bliesheim an«, sagte ich zittrig. »Er ist doch klug, er wird dir auch raten, einfach abzuhauen.«
Der Lange sah mich eingehend an. »Sammy! Pack das Eisen weg! Mach schon.« Im Plauderton fuhr er fort: »Bliesheim? Was soll das mit Bliesheim? Der hat doch mit dem Kurierdienst nichts zu tun.«
»Du hast ein Problem«, sagte ich. »Ich bin das Problem. Wenn du noch lange hier rummachst, hast du allerdings kein Problem mehr. Dann kommst du nämlich nicht mal von diesem Berg runter, dann sind die Bullen da.«
»So eine Sau. Der muss weg«, sagte der Blonde schrill. Mit einer schnellen Bewegung nahm er die Waffe hoch.
Ich schlug beide Hände vor das Gesicht, ich hatte keine Stimme mehr, konnte mich nicht bewegen, ich wartete.
»Sammy!«, mahnte der Lange so betulich, als sei der Blonde ein zweijähriges Kind, das seinen Brei nicht essen wollte.
Dann schoss er. Es gab keinen Knall, es gab nur ein sattes Plopp. Ich hatte nicht mitbekommen, dass der Lange eine Waffe gezogen hatte, aber jetzt wusste ich, woher er seine Gelassenheit nahm. Der Mann war gefährlich wie ein Alligator, er hatte scheinbar überhaupt keine Nerven.
Sammy schrie, griff sich an den Oberschenkel, seine Waffe fiel in den Sand, er verdrehte seinen Körper und stürzte. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, sehr viel Blut. Sein Kopf schlug ziemlich hart auf.
Ich hauchte: »Danke auch.« Dann kam mir die ganze Szene irrsinnig vor und ich setzte hinzu: »Er ist wohl bewusstlos.«
»Es ging nicht anders«, stellte der Lange fest. Er zeigte leichten Ärger, als er hinzufügte: »Ich arbeite lieber allein, nur allein. Sammy ist ein Nervchen.«
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er sich während der ganzen Szene kaum bewegt hatte. Kein Schritt vor, keiner nach hinten oder zur Seite, immer nur diese bewegungslose Gelassenheit.
»Warum machst du diesen Scheißjob?«
»Ich brauche Geld«, lächelte er und fragte heiter: »Oder möchtest du jetzt die Lebensbeichte eines im sozialen Abseits gestrandeten, ausgepowerten Opfers dieser im Kapitalismus ersaufenden Welt hören?« Er deutete auf Sammy: »Kannst du ihm den Oberschenkel abbinden? Sonst schwimmt er mir ins Nirwana. Ich hole unseren Wagen, lade Sammy ein und versuche irgendwie durchzukommen. Hältst du so lange still?«
»Sicher«, nickte ich.
Er hob nicht einmal Sammys Waffe auf, ließ sie einfach liegen, wo sie war, einen Schritt von mir entfernt. Er drehte sich um und ging den Weg in den Wald zurück.
Cisco tanzte neben ihm her und bettelte herzerweichend um ein Kraulen.
Ich zog meinen Gürtel aus der Hose und bückte mich zu Sammy, der schwach und gleichmäßig atmete. Mit dem Messer schnitt ich sein rechtes Hosenbein hoch im Schritt ab und zog es vorsichtig über die Wunde nach unten. Anschließend schnallte ich den Gürtel zweimal um den Oberschenkel und zog ihn so fest, wie ich konnte. Das Blut pulsierte nicht mehr, Sammys Gesicht war weiß, die Flügel seiner Nase zitterten leicht.
Ein Motor startete.
Mein Hund war plötzlich wieder neben mir und winselte leise. Wahrscheinlich kann er Brutalität nicht ertragen.
Ich nahm den Verbandskasten aus meinem Auto und versorgte die Wunde.
Der Lange fuhr mit dem Defender dicht an uns heran, stieg aus und murmelte: »Dein Verband ist ja richtige Profiarbeit.«
»Warum habt ihr eigentlich den Förster erschossen?«, versuchte ich eine Provokation.
»Förster? Was für einen Förster?«, antwortete er. »Pass auf, ich nehme Sammy an den Armen, du nimmst die Beine. Wir legen ihn hinten rein.«
»Ich rede von dem Förster Klaus Mertes. War der einer eurer Kuriere?«, fragte ich, während wir Sammy hochhievten und Schritt für Schritt zum Heck des Wagens trugen.
»Das wüsste ich«, verneinte er. »Warte mal, ich zieh die Klappe auf. So, jetzt langsam.«
»Sammy muss zu einem Arzt«, stellte ich fest.
Er nickte. »Ich kenne einen. Wohin komme ich, wenn ich unten auf der Straße nach links fahre?«
»Immer tiefer in die Wälder, dann zur belgischen Grenze. Hat denn auch der Kaplan Drogen transportiert?«
Jetzt wirkte er ehrlich überrascht. »Welcher Kaplan? Tut mir Leid, Kumpel, ich muss weg.« Sekundenlang zog ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht: »War richtig schön, mal über alles gesprochen zu haben.« Er kletterte in den Defender und fuhr los.
Ich stand in der Sonne und kam mir dämlich vor. Hätte jemand in dieser Sekunde behauptet,
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