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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Hang hinunter auf die Straße zu und lief dann in die Wiese hinein.

    »Also weiter«, sagte ich zu meinem Hund. Der war zufrieden, denn er war erholt und bereit zu neuen Taten.

    Wir rannten bergab auf ein Gebäude zu, von dem ich nur ein Stück des Daches sehen konnte. Davor standen hoch gewachsene Fichten und niedrige Sträucher, Schlehen und Weißdorn.

    »Da sind Menschen!«, keuchte ich meinem Hund zu und brach zwischen einer kleinen Weißtanne und einer Schlehenkugel in den Streifen ein.

    Ich bemerkte die Kante einfach nicht, sie war plötzlich vor mir. Ich wollte mich zur Seite werfen, aber meine Fähigkeiten als Kunstturner sind stark verkümmert. Im letzten Moment bekam ich etwas zu fassen, was ich als Wurzel identifizierte. Doch in dieser Sekunde nutzte mir dieses Wissen wenig. Mit beiden Armen hing ich an einer senkrechten Felswand. Unter mir, etwa zwei Meter tiefer, sah ich eine gewellte Fläche – das Eternitdach eines Schuppens oder einer Scheune. Über mir, vielleicht anderthalb Meter höher, mein Hund Cisco, der mir freundlich zubellte, wahrscheinlich, um mir Mut zu machen.

    »Scheiße!«, keuchte ich. Dann begann ich zu rufen. »Hallo!«

    Ich ließ eine Hand los und schwang wie von selbst langsam nach links. Unter mir war der Schuppen, der dazugehörige kleine Bauernhof stand etwas abseits jenseits eines Platzes, auf dem alles Mögliche vor sich hin gammelte. Autowracks zum Beispiel, altes Ackergerät, ein Mistplatz, alles zugewachsen von violetten Disteln und hochgeschossenem Gras.

    Mein Hund war nicht mehr über mir.

    Ich schrie noch einmal: »Hallo!«

    Cisco schlenderte in aller Gemütsruhe über den Platz unter mir, sah hoch und bellte erneut freundlich.

    Ich sagte noch einmal kräftig: »Scheiße!«, und ließ mich fallen.

    Es war ein kurzer Flug und ich versuchte ihn so gut zu steuern, wie ich konnte. Ich kam tatsächlich mit den Beinen voran auf der Eternitfläche an, aber wahrscheinlich war sie vom Alter geschwächt. Wie eine Rakete brach ich durch das Dach und mein Hund bellte dazu.

    Auf einem uralten plüschigen Sofa fand ich mich wieder, federte hoch, irgendetwas Metallenes quietschte schrill. Ich schlug mit dem Hintern auf etwas sehr Hartes, kippte zur Seite auf die Sitzfläche des Sofas und starrte nicht eben intelligent nach oben durch das Loch, das ich hinterlassen hatte. In der Bahn aus hellem Sonnenschein tanzte Staub, ich musste husten.

    Das Erste, das ich bewusst von der restlichen Umgebung wahrnahm, waren Kerzen. Zwei einfache, weiße brennende Haushaltskerzen. Sie standen auf einem breiten Brett, das an der Stirnwand des Raumes befestigt war.

    Über dem Brett hingen große Filmplakate, im Wesentlichen solche, die zeigten, wie Jetpiloten, kühne Reiter, wandelnde halbmetallene Kraftmaschinen oder langbeinige Blondinen mit stählernen Büstenhaltern durch Hollywoods Welten wandern. Mitten in dieser Irrsinnswelt gab es eine Lücke. In die hatte jemand einen großen Spiegel mit Goldrahmen an der Wand befestigt. Auf diesem Spiegel befand sich etwas Rötliches, Wirres, das ich nicht sofort identifizieren konnte, bis ich mit lähmendem Entsetzen klar sah.

    Es war Haar, es war das kupferfarbene, langmähnige Haar der erstochenen Elvira Klein.

    Ich wusste in der gleichen Sekunde, dass mir das niemand glauben würde, den ganzen Tag nicht.

    Laut und andächtig sagte ich in die Stille: »O nein!«, und fasste mir in das Gesicht, weil es nass schien. Es war Blut. Ich musste mir während des Falles den Kopf gestoßen haben. Es war reichlich Blut.

    Links von mir befand sich ein großer Fernsehapparat mit allem Drum und Dran. Und noch weiter links davon stand ein alter Ledersessel. In dem saß ein unglaublich dicker, junger Mann, der mich fassungslos anstarrte, beide Arme hoch über den Kopf streckte und dann wimmerte: »Ich habe keine Waffe, ich habe keine Waffe!«

    Es war schwer zu schätzen, wie alt er war. Zwanzig vielleicht oder fünfundzwanzig. Seine Augen versanken in Fett, sein Bauch lag grandios vor ihm wie ein Gebirge. Seine Füße steckten in alten braun-schwarz karierten Filzlatschen. Es waren riesige Füße. Was hatte Kischkewitz gesagt? Schuhgröße 48! In der rechten Hand hielt der Fleischberg eine qualmende Zigarette, auf einer Kiste neben ihm stand eine offene Flasche Bier.

    Ich richtete mich auf, wobei mir jeder Muskel im Leib wehtat. Ich machte ein oder zwei Schritte, drehte mich, machte erneut zwei Schritte und setzte mich wieder. Mein Kreislauf wollte noch

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