Eifel-Sturm
meiner Tochter, der Bundestagsabgeordneter ist, von mir eine Million und düst nach Mallorca und kauft einen Bauernhof. Das ist nichts Kriminelles, aber irre genug, dass sich jede Zeitung darauf stürzt. Dann passierte das mit Annette, das mit Bastian. Und dann war auch noch Wilma tot, die ja nun für gar nichts konnte. Mörder sind doch irre, die sind doch ... Ich hab daran gedacht, zur Polizei zu rennen und zu schreien: Ihr Arschlöcher, seht doch mal genau hin! Aber ich habe es nicht geschafft, ich wollte nur noch ... ich wollte nur noch weg.« Er schluchzte laut.
Hinter mir war ein Geräusch. Ich drehte mich um und sah den Assistenzarzt dort stehen.
»Es ist nicht mehr zu verantworten«, sagte er sanft, aber knallhart.
»Schon gut«, erwiderte ich. »Ich habe genug gehört.«
Zehntes Kapitel
Als ich in Deudesfeld vor dem Haus hielt und ausstieg, kam auch Vera gerade an.
»Ich kann so schlecht allein sein.«
»Das ist schon in Ordnung«, nickte ich. »Das kommt mir sehr entgegen. Ich brauche eine Menge Haut, um all den Tod zu vergessen. Wann geht es los?«
»Morgen früh um neun im Aukloster. Gleich ist es eins, wir haben also noch sechs Stunden, um auszuruhen. Ich brauche auch Haut, Baumeister. Die Million stammte von Annettes Vater, nicht wahr?«
»Ja. Was ist mit der Winchester?«
»Drieschs Onkel hat bestätigt, dass es seine Waffe sein könnte. Er ist ein sehr alter Mann, der kein Gewehr mehr halten kann und der auch nicht mehr sicher weiß, wie viele Gewehre er besitzt. Ich habe sie gesehen, drei Schränke voll. Der alte Mann hat gar nicht mitbekommen, dass die Winchester fehlte. Und jetzt schämt er sich.«
»Cisco, komm!«, rief ich. »Ich muss unter die Dusche. Kannst du Bratkartoffeln mit Spiegelei machen?«
»Klar«, sagte sie. »Wenn du die Kartoffeln schälst.«
»Wenn Alwin Kartoffeln hat.«
Wir bekamen Kartoffeln und ein halbes Dutzend Eier und verzogen uns in mein Reich.
»Ich verstehe nur die Sache mit Wilma nicht«, sagte sie.
»Ich auch nicht. Und es hat jetzt keinen Sinn, zu spekulieren. Schneide den Speck, ich schäle die Kartoffeln.«
Eine halbe Stunde später war die Herrlichkeit den Weg alles Irdischen gegangen und wir lümmelten uns auf den Sofas. Sie setzte sich neben mich und wir hörten Herbert Grönemeyer zu, wie er ›Ich drehe mich um dich‹ sang. Es folgte Elvis mit ›Blue Hotel‹ und es ging mir auf den Geist; ich drückte die Fernbedienung.
Als wir nebeneinander im Bett lagen, fragte Vera: »Glaubst du, ich kann in deinem Arm einschlafen?«
»Wenn du das willst, kannst du das.«
»Und wirst du mich nicht zur Seite schubsen?«
»Nein. Warum sollte ich das?«
»Und du brauchst auch nicht ganz automatisch ...«
»Nein, ich brauche gar nichts ganz automatisch. Und jetzt komm hergekrochen, zier dich nicht, sei ein großes Mädchen, ich rühre dich nicht an.«
»Warum eigentlich nicht?«
Wir verschliefen um eine halbe Stunde und mühten uns dann in der qualvollen Enge des kleinen Bades ab. Ich verzichtete auf eine Rasur, sie verzichtete auf die Dusche. Wir hetzten hinunter zu den Autos und für Cisco war das Ganze ein herrlicher Spaß, den wir nur um seinetwillen erfunden hatten.
»Mein Gott, Kischkewitz schlägt mich tot.«
»Wir schaffen es, wenn du zügig fährst.«
»Und wenn ich mit Sirene und Blaulicht... Ach nein, das macht nur die Leute verrückt.«
Wir schafften es, wir erreichten fünf Minuten vor neun das Parkdeck oberhalb des Auklosters.
»Gibt es eigentlich Regieanweisungen?«, fragte ich.
»Ja. Kischkewitz und Rodenstock stellen die Fragen, alle anderen schweigen und lächeln höflich. Was machst du, wenn die Geschichte hier vorbei ist und du dein Manuskript geschrieben hast?«
»Vielleicht Bodensee, vielleicht Tessin.«
»Ist es vorstellbar, dass ich mich am Benzin beteilige?«
»Das ist vor stellbar.«
Im Kloster war es merkwürdig still. Gleich auf der rechten Seite befand sich der große Vortragssaal, den man als Kulisse ausersehen hatte. Es waren viele Leute da, einige kannte ich vom Sehen, andere waren mir fremd. Vera entschwand und wenig später hockte sie brav mit einem Stenoblock an einem kleinen Tisch.
Komisch, dass immer die Frauen die Protokolle schreiben müssen.
Rodenstock strich an mir vorbei, nahm mich aber zunächst nicht wahr.
»Viel Glück«, sagte ich.
Er drehte sich halb zurück und lächelte, sagte aber nichts.
Emma tauchte auf und rauchte einen ihrer fiesen holländischen Zigarillos. »War es gut, heute
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