Eifel-Sturm
erst recht unmöglich, sie zu finden.«
»Schlechte Aussichten«, stimmte ich zu. »Wir fahren gleich zu Dr. Ludger Bensen. Wenn du magst, kannst du mitkommen.«
»Was heißt gleich?«
»Na ja, so in anderthalb Stunden«, sagte ich »Und jetzt zieh dir was an, du machst mich kribbelig.«
»Du sollst mich nicht rumkommandieren, Baumeister«, sagte sie sanft. Als sie auf mich zuging, ließ sie das Handtuch fallen.
Es gibt Formen gesellschaftlichen Umgangs, denen ich nicht widerstehen kann. Fallenden Handtüchern zum Beispiel.
Dr. Ludger Bensen residierte in Roetgen in einem Haus, das wie eine Mischung aus Tegernseer Landhaus und Gelsenkirchener Barock wirkte. Links und rechts an den Hausecken waren Türmchen angeklebt und durch den ganzen Vorgarten erstreckte sich eine an Stahlseilen aufgehängte Aluminiumkonstruktion mit Acrylplatten.
Rodenstock murmelte: »Seid ehrfürchtig, Kinderchen, das ist der Geist der neuen Zeit, da kündigt sich das Millennium an, da haben wir braven Provinzler keine Chancen mehr mitzukommen.«
Emma, die sich unserer Gemeinde ebenfalls angeschlossen hatte, sagte resolut: »Ich will nicht das Haus, ich will den Mann!«
»Pfui!«, sagte ich.
»Schön!«, lobte Vera.
Bensen öffnete die Tür. Er war so recht ein Mannsbild wie der Werbung von JOOP! entsprungen. Mein erster Verdacht war: Der trägt ein Toupet, doch dann gestand ich ein: Das ist echt, die Wolle ist echt. Sein Gesicht konnte durchaus als schön und edel und männlich bezeichnet werden. Es war braun gebrannt, die Zähne glitzerten wie Sternchen. Er trug einen himmelblauen Pulli über einem weißen Oberhemd. Dazu dunkelfarbene Hosen und schwarze Slicks. Er nahm mir einfach den Atem.
»Baumeister«, stellte ich mich vor. »Das sind Freunde von mir, die am gleichen Fall arbeiten.«
»Oh, das macht nichts«, strahlte er. »Mein Haus ist groß genug.« Er gewährte jedem von uns einen sehr intensiven Händedruck. »Ich geh mal vor.«
Wir bewegten uns im Gänsemarsch einen von Spots erleuchteten Gang hinab und gerieten in eine Art Wintergarten von Ausmaßen, die einem Tanzsaal glichen. Da standen Zitronenbäumchen, Bananenstauden, Olivenbüsche und andere heimische Gewächse, wie man sie in den Eifler Wäldern findet.
»Meine Frau liebt die Toskana über alles!«, erklärte Bensen. »Nehmen Sie doch Platz, wo es Ihnen beliebt. Schatz, wir brauchen noch ein paar Gläser. Ich nehme doch an, Sie trinken ein Gläschen?« Er lachte allerliebst. »Ich sorge auch dafür, dass die Polizei im Revier bleibt.«
Die Hausherrin tauchte auf und klagte: »Mein Gott, Therese hat die Gläser wieder falsch eingeräumt!«
»Tja«, murmelte Emma, »so was nervt! Mein Name ist Emma Rodenstock und ich vermute, Sie sind die Frau von Dr. Bensen.«
»So ist es«, bestätigte sie. »Mein Gott, die Kinder wollten heute überhaupt keine Ruhe geben. Da habe ich die Notbremse mit Bier gezogen.«
»Da haben Sie was?«, fragte Vera mit aufgerissenen Augen.
»Oh, meine Liebe. Ich nehme an, Sie haben keine Kinder. Aber ich sage Ihnen, zwei, drei Schluck Bier tun wahre Wunder. Ich meine, sie trinken es ja nicht mal gern, aber wenn sie es trinken, sind sie binnen Minuten hinüber.«
»Aha!«, nickte Rodenstock höflich. »Was Sie nicht sagen. Ein schönes Haus haben Sie.«
»Tja«, sagte der Hausherr und wollte einen ausgedehnten Vortrag starten.
»Tja«, unterbrach ihn seine Frau. »Da haben wir uns was angetan, sage ich Ihnen. Dreihundert Quadratmeter Wohnfläche! Haben Sie mal dreihundert Quadratmeter Wohnfläche sauber halten müssen?«
»Selten«, sagte Emma herzlich. »Sehr selten.«
»Und das Personal heutzutage ist ja auch nicht mehr von der Arbeit überzeugt.«
»Sage ich auch immer!«, bestätigte ich, weil sie mich so ansah, als erwartete sie von mir eine Antwort.
»Die Gläser, Schatz!«, erinnerte der Hausherr.
»Ach, Gottchen, ja«, nickte sie gequält und verschwand.
»Tja, dann müssen Sie mir aber sagen, was Sie eigentlich wollen«, sagte Bensen und setzte sich bequem in seinem Rattansesselchen zurecht.
»Die Wahrheit«, verlangte Rodenstock, »nichts als die Wahrheit.«
Sofort bekam das Gesicht des Anwalts einen harten Ausdruck und er schloss einen Augenblick lang die Augen. »Das ist aber viel verlangt«, erwiderte er sachlich.
»Das stimmt!«, nickte Emma.
»Sie meinen mit Wahrheit sicherlich Jakob Driesch?«
»Richtig«, antwortete ich.
Bensens Frau kam zurück und schob einen rollenden Teewagen vor sich her, auf dem
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