Eifelbaron
Zeit nicht mit seiner Frau im Wohnzimmer gesessen.«
Interessant, dachte Welscher, dann haben wir uns Frau Barons geheimen Liebhaber wohl doch nicht eingebildet. »Könnte doch auch nur ein Freund gewesen sein«, bemerkte er.
»Über Wochen hinweg? Nee, glaube ich nicht. Aber wissen Sie, was mir noch aufgefallen ist?«
Welscher schüttelte gespannt den Kopf.
»Seit Baron tot ist, ist auch der Liebhaber verschwunden. Die Rollläden sind jetzt oft schon früh am Vormittag unten. Schon seltsam, oder? War früher nicht so. Da gibt es doch bestimmt einen Zusammenhang. Ich vermute ja, dass sie doch noch einen kleinen Funken Anstand besitzt und sich zumindest in der ersten Trauerzeit nichts nachsagen lassen möchte.« Gräper rückte näher an Welscher heran und flüsterte: »Meiner Meinung nach steht zu befürchten, dass ihr Liebhaber den lästigen Ehemann um die Ecke gebracht hat.« Er hob die Augenbrauen und machte ein schlaues Gesicht.
Welscher sagte nichts darauf. »Können Sie den Mann beschreiben?«
Gräper wiegte den Kopf. »Es war nicht Baron, er bewegte sich anders. Und dünner war er auch. Aber so vom Gesicht her, nein, da war er dann doch zu weit entfernt.«
Einige Sekunden blickten sie beide stumm zu Barons Haus hinüber.
»Ich muss jetzt weiter«, sagte Gräper schließlich und drückte Welscher die Finger matschig. Dann trabte er gemütlich davon.
* * *
Fischbach hatte nie die Absicht gehabt, Breitholz auch nur einen einzigen Burger zu bringen. Sollte der doch da oben Kohldampf schieben, bis man auf seinen Rippen ein Xylofonkonzert geben konnte. Entspannt bretterte er die B 266 entlang, durch Schaven, Firmenich, Obergartzem und Wißkirchen, um dann kurz vor dem Ortseingang Euskirchen seine Harley vor der Alten Tuchfabrik auf den Ständer zu wuchten.
Karlo Nettersheim empfing ihn auch heute persönlich an der Hintertür. Er schob Fischbach vor sich her in sein Büro und hielt ihm den Zigarrenkasten hin. »Eine De Leon gefällig?«
Mit skeptischer Miene griff Fischbach zu, zog die braune Stange unter seiner Nase her und schnupperte daran. »Von der Marke habe ich noch nie etwas gehört. Das Auspuffrohr meiner Harley ist kaum größer.« Er lachte gackernd. »Was sagtest du: De Leon?«
»Ja, De Leon Torpedo, um genau zu sein. Hierzulande noch ziemlich unbekannt. Kommt aus der Dominikanischen Republik. Milde Stärke, aber kräftig im Aroma. Die Spitzbuben da drüben haben jahrelang an der Mischung herumexperimentiert.«
Fischbach nahm sich den Roundcutter vom Tresen und bohrte ein kleines Loch ins Mundende. Nettersheim hielt ihm Feuer hin. Er paffte die Zigarre an und ließ den Rauch über seine Zunge rollen. »Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht«, urteilte er nach den ersten drei Zügen. Anerkennend hob er die Zigarre und nickte. »Klasse Rohr.« Sofort kribbelte es in seiner Nase.
Nettersheim strahlte. »Freut mich, dass es dir schmeckt«, sagte er und schüttete für sich einen Bourbon und für Fischbach einen doppelten Eifelschnaps ein. »Von Faber. Ein echter Bierbrand.«
Fischbach nahm das Glas und roch daran. Der aromatische Duft nach Äpfeln und Birnen stieg ihm in die Nase. »Köstlich«, sagte er. »Aber du weißt doch: Wenn ich noch fahren muss, dann trinke ich keinen Alkohol.« Er stellte das Glas auf den Tisch.
Nettersheim lachte. »Stimmt. Hatte ich für einen Augenblick vergessen. Prinzipien sind richtig und wichtig.«
Sie setzten sich in die braunen Clubsessel. Fischbach liebte diese Möbelstücke. Die Lehnen waren hoch und oben flach. So konnte man gemütlich die Arme auflegen. »Was kann ich für dich tun?«, fragte er und hoffte inständig, dass sein Freund die SMS nicht geschrieben hatte, weil er rückfällig geworden war.
Nettersheim erahnte anscheinend Fischbachs Sorgen und schüttelte den Kopf. »Nicht, was du jetzt denkst. Ich bin und bleibe sauber, keine Sorge.«
Fischbach atmete erleichtert aus. »Gott sei Dank. Um was geht es dann?«
Nettersheim lehnte sich zurück und schmunzelte. »Ziemlich gefährliche Gegend hier in letzter Zeit.«
»Dem kann ich nicht widersprechen.«
»Ihr habt den Belgier laufen lassen?«
Fischbach nickte.
»Ist nur vorübergehend, nicht wahr?«, mutmaßte Nettersheim. »Der ist zu blöd für das Geschäft.«
»Vielleicht.« Fischbach mochte sich diesbezüglich nicht festlegen. Er schätzte Wout Bertrand als hinterlistig und lernfähig ein. Eine gefährliche Kombination.
»Jörg Bauernfeind«, sagte Nettersheim und zog an
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