Eifelbaron
Welschers Bemühungen, den Wagen zu starten, gänzlich ungerührt, mit einer Zeitung in der Hand. »Arschloch«, fluchte Welscher, öffnete mit einem Griff unter das Lenkrad die Motorhaube und stieg aus. Zumindest stand er im Licht einer Straßenlaterne und konnte so die Bauteile des öligen Motors gut unterscheiden. Nur half ihm das recht wenig. Er hatte von Autotechnik nämlich so viel Ahnung wie ein Schimpanse von Mikrochirurgie. Hilfesuchend blickte er sich um. Fischbach war bereits vor einigen Minuten losgedonnert, und Breitholz sah zwar durch die Frontscheibe und winkte ihm zu, hielt es aber nicht für nötig, auszusteigen.
»Arschloch«, wiederholte Welscher. Jetzt verstand er, warum Fischbach den Kollegen nicht leiden konnte.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Welscher zuckte zusammen. Weil er seine Aufmerksamkeit und seinen Ärger auf Breitholz gerichtet hatte, war ihm entgangen, dass sich ein Jogger genähert hatte. Der Mann stieß weiße Atemwolken aus und lief auf der Stelle. An seinem Stirnband war eine LED-Lampe befestigt, die Welscher je nach Kopfhaltung des Mannes blendete. Er hielt die Hand vor die Augen. »Könnten Sie das Licht bitte ausmachen?«
»Oh, klar.« Der Jogger riss sich das Stirnband vom Kopf und knipste das Licht aus.
Welscher nickte dankbar. »Die Karre will nicht anspringen«, erklärte er und wies in den Motorraum. »Verstehen Sie etwas davon?«
Der Mann gab ihm die Hand. »Das will ich wohl meinen. Alfred Gräper«, stellte er sich vor. Sein Händedruck war kräftig. »Ich besitze einige Autohäuser.«
Welscher war froh, als er den menschlichen Schraubstock wieder loslassen konnte. Seine Finger schmerzten. Er zweifelte ein wenig an Gräpers Fähigkeiten. Die Eigentümer von Autohäusern fand man selten in der Werkstatt, sondern eher in einem warmen Büro vor einem Bildschirm mit den aktuellen Umsatzzahlen.
»Lassen Sie mal sehen«, murmelte Gräper und beugte sich über den Motor. »Können Sie bitte mal starten?«
Welscher setzte sich in den Wagen und drehte den Schlüssel. Der Anlasser klackte.
»Stopp!«, hörte er Gräper rufen.
Welscher ließ den Schlüssel los und stellte sich so, dass er Gräper über die offene Wagentür hinweg bei der Arbeit zusehen konnte.
»Das haben wir gleich«, machte der ihm Hoffnung. »Haben Sie einen großen Schraubenschlüssel dabei?«
»Ich denke schon«, antwortete Welscher und kramte im Kofferraum. Er fand nur eine Zange. Die brachte er Gräper. »Geht die auch?«
»Ja klar«, erwiderte Gräper lapidar, packte sie fest und schlug auf ein Bauteil ein.
»Was soll das?«, rief Welscher ärgerlich und hielt ihn am Arm davon ab, weitere Schläge auszuführen.
»Der Anlasser hing fest. Versuchen Sie es jetzt noch mal.«
Welscher nahm sicherheitshalber die Zange mit. Er setzte sich und drehte den Zündschlüssel. Sofort sprang der Motor an.
Gräper schloss die Haube und kam zu ihm rum. »Sehen Sie? Kein Attentat.«
Welscher musste lachen. »Das hätte ich nicht für möglich gehalten.«
»Sie sollten sich aber einen neuen Anlasser einbauen lassen. Das kann immer wieder passieren«, warnte Gräper. »Sie finden mich im Telefonbuch. Ich mache Ihnen einen Vorzugspreis.« Er zwinkerte ihm zu.
»Aber nicht schwarz«, gab Welscher zurück.
»Nein, sicher nicht«, erwiderte Gräper lachend. Plötzlich verschwand sein heiterer Gesichtsausdruck. Respektvoll tippte er auf die Christophorus-Plakette, die auf der Lenksäule klebte. »Ein wahrer Christ«, hauchte er anerkennend.
Welscher zuckte unbestimmt mit den Schultern. Die Plakette stammte vom Vorbesitzer des Fiesta. Dass er nur zu faul gewesen war, sie abzureißen, behielt er für sich.
»Die christlichen Werte kommen heutzutage viel zu kurz.« Gräper deutete auf das Haus der Barons. »Nehmen Sie als Beispiel den Sündenpfuhl dort drüben. Das wiederauferstandene Sodom und Gomorrha. Männerbesuch fast jeden Tag, und ihr Mann schien nichts dagegen zu haben, geschweige denn, dem Treiben ein Ende setzen zu wollen.«
Welscher horchte auf. Stand hier ein wichtiger Zeuge vor ihm? Aus Sorge, der Anlasser könnte wieder hängenbleiben, ließ er den Motor laufen und stieg aus. »Wieso sind Sie so gut über das im Bilde, was dort drinnen vor sich geht?«
Gräper lachte unlustig. »Auf meiner Joggingstrecke laufe ich jeden Tag auch hinter dem Haus entlang. Und bei den riesigen Fenstern wird der Blick ja fast magisch angezogen. Ich kannte Bruce Baron ganz gut. Er war mein Kunde. Er hat dort in letzter
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