Eifelbaron
Schulter auf die Rückbank.
»Scheiße! Blöde Hinterwäldler! Dumpfbacken!«, fluchte er nicht zum ersten Mal, seit er heute Morgen seine Zuweisung erhalten hatte. »Euskirchen, so ein Scheißkaff!« Er haute mit dem Handballen auf das Lenkrad. Dabei war doch bisher alles nach Plan gelaufen. Nach der Ausbildung und den Jahren bei der Bereitschaftspolizei hatte er den Dienst im Polizeipräsidium in Köln-Kalk angetreten, ganz so, wie er sich das erhofft hatte. Eine Großstadt mit Herz, in der jeder so leben konnte, wie es ihm in den Sinn kam.
Welscher fingerte an seinem Handy herum, scrollte durch das Telefonbuch. Er musste zu Hause Bescheid geben und sich seinen Frust von der Seele reden. Kurz zögerte er. Ob Alex ihm überhaupt zuhören würde?
Beim gemeinsamen Frühstück heute Morgen hatten sie sich wieder einmal gestritten, wie so oft in den letzten Monaten. Diesmal war es die Wäsche gewesen. Verdammt. Seine unregelmäßige Arbeitszeit brachte es nun mal mit sich, dass der überwiegende Teil der Hausarbeit an Alex hängen blieb. Er konnte doch nichts dafür. Und wenn es nicht seine Arbeitszeit oder die Hausarbeit war, dann ein versalzenes Essen, ein verschütteter Traubensaft oder eine verdorrte Pflanze, an die niemand gedacht hatte. In letzter Zeit fanden sie immer wieder einen Anlass, um aus banalen Gründen einen Streit vom Zaun zu brechen. Sogar der Klassiker aller Beziehungskiller war dabei gewesen: die nicht zugeschraubte Zahnpastatube.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Welscher, ob sie die Beziehung auf dieser Basis überhaupt noch weiterführen konnten. Aber gemeinsame fünf Jahre warf man nicht einfach so über Bord. Er war bereit, für seine Liebe zu kämpfen und Kompromisse einzugehen. Ob Alex es auch so sah? Daran zweifelte er in letzter Zeit immer häufiger. Das ständige Gezicke um jede Kleinigkeit ging ihm ziemlich auf die Nerven.
Aber egal. Jetzt brauchte er eine vertraute Stimme. Er würde einfach mit einer Entschuldigung beginnen, das würde die Wogen glätten.
In seiner Aufregung flutschte ihm das Handy aus der Hand und fiel in den Fußraum auf der Beifahrerseite. »Mist«, grummelte er, beugte sich hinunter und tastete nach dem Gerät. Als er es endlich erwischt hatte und wieder hochkam, bog keine fünfzig Meter vor ihm ein Traktor mit Hänger aus Richtung Schneppenheim auf die Straße und hielt überraschend an. Beherzt trat Welscher in die Eisen und kam schlitternd nur wenige Zentimeter vor dem Traktor zu stehen. Wäre sein Fiesta nicht so altersschwach die Straße entlanggekrochen, wäre er mit Sicherheit unter den Auflieger geraten und jetzt einen Kopf kürzer. Sein Herz klopfte bis zum Hals.
Der Landwirt stieg seelenruhig aus der Fahrerkabine und stellte sich breitbeinig an den Straßengraben.
»Ich glaub es nicht.« Wütend riss Welscher die Autotür auf und wollte hinausspringen. Doch er wurde im Sitz festgehalten. Im ersten Moment wusste er nicht, was los war, dann schoss ihm die Röte ins Gesicht. Er hieb auf das Gurtschloss. Mit einem pfeifenden Geräusch rollte der Gurt sich auf und gab ihn endlich frei. Welscher stieg aus dem Wagen und stürmte auf den Mann zu. »Ja wo gibt’s denn so was? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«
Der Landwirt schüttelte ab, zog den Reißverschluss seiner vor Dreck starrenden Jeans hoch und wandte sich Welscher zu. Dabei blickte er ihn nicht an, sondern sah auf etwas hinter Welschers Rücken. »Stadtminsch«, brummte er und deutete auf das Kennzeichen.
»Dass es mir nicht auf der Stirn steht, ist mir schon klar«, gab Welscher unwirsch zurück und machte eine ausladende Handbewegung in Richtung Traktor. »Wie können Sie nur dort anhalten, Mann? Das ist ja gemeingefährlich.«
Einige Wagen zogen hupend an ihnen vorbei.
Der Landwirt achtete gar nicht darauf. »Isch moot ens pinkelen«, nuschelte er und erklomm dann das Führerhaus seines Traktors. Ohne Welscher eines weiteren Blickes zu würdigen, ließ er den Diesel an und zuckelte davon. Eine Rußwolke umhüllte Welscher und ließ ihn husten. Er zog seinen Notizblock aus der Innentasche seines Blousons und notierte sich das Kennzeichen. Als er die letzte Ziffer schrieb, hielt er inne. Sekundenlang schwebte die Mine des Bleistifts über dem Papier, bis er das Kennzeichen durchstrich. Er musste den Kollegen ja nicht direkt am ersten Tag mit solchen Bagatellen auf die Nerven gehen. Die sollten schließlich nicht denken, er würde sich an so etwas aufhängen. Er steckte den Block
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