Eifelbaron
Geschmiere vor sich wandern. Manche Wörter waren kräftiger geschrieben, die Buchstaben mehrfach nachgezogen. Er tippte sie in den PC, doch der verweigerte hartnäckig den Zugang. Ärgerlich warf Welscher die Tastatur einige Zentimeter über den Tisch. Der Alte schien doch tatsächlich mehr in der Birne zu haben, als er angenommen hatte. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Der Verkehrslärm auf der Kölner Straße drang dumpf an seine Ohren. Ein Einsatzwagen fuhr mit Martinshorn davon. Aus einem benachbarten Büro kam Gelächter. Er öffnete die Augen wieder und starrte auf die Schreibtischoberfläche. Oben rechts war ein Kreuz gemalt. War Fischbach gläubig? »INRI« war in kräftigen Lettern auf das Kreuz gemalt. Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – Jesus von Nazaret, König der Juden. Die Übersetzung hatte er noch aus dem Lateinunterricht in Erinnerung.
Welscher rieb sich die Hände und zog die Tastatur heran. Jetzt hab ich dich, dachte er voller Vorfreude. Das Kreuz war einfach zu auffällig. Er tippte nacheinander jedes Wort, kombinierte sie miteinander und ließ die Vokale weg.
Seine Freude verflog zusehends. Die Mitteilung »Falsches Passwort« schien sich in den Bildschirm eingebrannt zu haben.
Wütend tippte er »Scheißeifel« ein und drückte die Returntaste.
»Falsches Passwort«.
Er warf die Tastatur quer über den Tisch. »Trotzdem wahr«, spie er aus und stemmte sich aus dem Stuhl. Es wurde Zeit für die Jugendlichen.
* * *
Fischbach klingelte an der Tür von Adolf Bachem. Schwere Schritte näherten sich, untermalt von Getrippel.
»Sei lieb, Hasso«, forderte eine tiefe Stimme, bevor die Haustür aufschwang.
Fischbach blickte in ein übermüdetes, unrasiertes Gesicht. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Der Mann schien in seiner Kleidung geschlafen zu haben, denn sie war zerknittert und derangiert.
»Sie wünschen?«, fragte der Mann.
»Herr Bachem?«
»Ja«, bestätigte der Mann. Der Schäferhund an seiner Seite knurrte leise und ließ Fischbach nicht aus den Augen. »Kommen Sie von der Polizei?«
»Darf ich hereinkommen?« Fischbach hielt seine Erkennungsmarke hoch. »Ich möchte mit Ihnen über Ihren … Fund sprechen.«
Bachem machte den Weg frei. Für den Schäferhund schien das ein Zeichen der Entwarnung zu sein. Er setzte sich artig und hechelte mit weit herausgestreckter Zunge nach Luft.
»Kommen Sie bitte mit durch«, sagte Bachem und ging voraus. Hasso folgte bei Fuß.
Fischbach betrat ein aufgeräumtes Wohnzimmer. »Eifel rustikal«, sagte er, als er die Möbel sah, und grinste.
»Sie meinen: Eiche rustikal«, gab Bachem müde zurück und setzte sich auf ein grünes, mit Samt bezogenes Sofa. Er tätschelte dem Schäferhund, der artig daneben Platz nahm, den Kopf. »Setzen Sie sich doch.«
Fischbach ließ sich auf einem Sessel nieder und kramte aus der Lederjacke seinen Notizblock hervor. »Sie sind Förster?«
»Ja. Und um die Sache abzukürzen: Ich habe den Toten da oben gefunden.« Er machte eine unbestimmte Handbewegung. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Wahrlich kein Anblick, den man schnell vergisst, das können Sie mir glauben.«
Fischbach steckte seinen Block wieder ein und musterte den Mann. Die Nase rot, die Wangen von Äderchen durchzogen. Wenn der kein Alkoholproblem hatte, dann würde er freiwillig in ein Auto steigen.
»Sie hatten ja gestern schon mit meiner Kollegin Andrea Lindenlaub gesprochen. Ist Ihnen in der Zwischenzeit noch etwas eingefallen?«
Bachem überlegte und schluchzte dann unvermittelt auf. »Nein, schrecklich. Ich kann das alles … das Gesicht … es war nicht mehr …« Er brach ab und klappte nach vorne. Der Hund jaulte kurz auf.
»Beruhigen Sie sich«, forderte Fischbach in einem mitleidigen Ton. So einfach würde das aber nicht gehen, das wusste er. Der Mann dort auf dem Sofa hatte etwas gesehen, was über seine schlimmsten Vorstellungen hinausging. Er versuchte, das Gespräch vom Leichnam wegzulenken. »Gehen Sie öfter dort vorbei?«
Bachem reagierte erst nicht. Sein Oberkörper wurde vom mühsam unterdrückten Schluchzen heftig geschüttelt. Fischbach wollte seine Frage gerade wiederholen, als der Förster nickte. »Ja, jeden Morgen. Routine halt. Ich bin da eigen.«
Fischbach runzelte die Stirn. Warum ging man jeden Tag den gleichen Weg? Der Wald war groß und bot Alternativen. Gehörte es nicht gerade zum Auftrag eines Försters, sich vom guten Zustand des ganzen Reviers zu überzeugen? »Routine?«, hakte
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