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Eifelbaron

Eifelbaron

Titel: Eifelbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Jagusch
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der Zeitung lesen?‹« Hohenknecht prustete vor Lachen und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Entschuldigen Sie bitte. Wissen Sie, jeder hier geht mit dem Stress anders um. Die einen benötigen Medikamente, die anderen sitzen zu Hause und saufen. Ich mache meine Späßchen und lache. Dabei kenne ich keine Schranken, das gebe ich zu.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich habe mal einer Patientin einen Witz erzählt: Kommt eine Frau zum Arzt. ›Herr Doktor, ich habe einen Knoten in der Brust.‹ Darauf der Arzt: ›Wer macht denn so was?‹«
    »Das hat sicherlich Ärger gegeben«, mutmaßte Fischbach.
    Hohenknecht nickte. »Ja, sicher. Sie wollte nicht mehr von mir behandelt werden. Nur die Überredungskunst eines unserer besten Psychologen hat sie schließlich umgestimmt.«
    »Wie ging die Geschichte aus?«
    »Die Patientin hat mir verziehen, als ich sie geheilt entlassen habe.«
    »Sie sind also gut?«, wollte Fischbach wissen.
    Professor Hohenknecht kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und musterte Fischbach. »Ist es arrogant, wenn ich sage: Ich bin der Beste in der ganzen Gegend?«
    »Wenn es der Wahrheit entspricht, vermutlich nicht«, sagte Fischbach. »Sie sind also eine Koryphäe. Aus dem Witz eben schließe ich, dass Sie es auf dem Gebiet der Krebserkrankungen sind.«
    »Ja, richtig, ich bin die Konifere auf dem Gebiet.« Er gluckste wieder amüsiert und kratzte sich den Hals. »Jetzt interessiert mich aber langsam, warum Sie hier sind.«
    Fischbach zeigte seinen Dienstausweis und stellte sich kurz vor. »Wir haben gestern einen Toten gefunden. Es ist nicht auszuschließen, dass es Mord war.« Er kramte die Visitenkarte, die sie bei Bruce Baron gefunden hatten, aus seiner Westentasche und legte sie vor Hohenknecht auf den Tisch. »Ihre Telefonnummer steht auf der Rückseite dieser Karte. Und die steckte in der Tasche des Opfers.«
    Professor Hohenknecht nahm die Karte und las den Namen auf der Vorderseite. »Bruce Baron, hm.« Er zog eine Schublade auf, in der Hängeordner steckten. Geschickt ließ er seine Finger darüberwandern. »Eine Akte habe ich nicht«, brummte er. »Aber der Name kommt mir bekannt vor. Moment!« Er stieß mit dem Knie die Schublade zu, zog die Computertastatur zu sich heran und tippte mit zwei Fingern etwas ein. Dann setzte er eine Lesebrille auf und las die Einträge. Sein Gesicht erhellte sich. »Ja, er hatte einen Termin bei mir, heute vor genau vier Wochen. Jetzt erinnere ich mich wieder.«
    »Was wollte er?«
    »Na was wohl?« Er lächelte traurig. »Doktor: ›Sie haben noch zehn zu leben.‹ Patient: ›Zehn was? Tage, Wochen, Monate, Jahre?‹ Doktor: ›Neun, acht, sieben …‹«
    »So schlimm?«, hakte Fischbach nach.
    Professor Hohenknecht verzog bedauernd das Gesicht und nahm die Brille wieder ab. »Das kann ich leider nicht beurteilen. Ich habe nur kurz mit ihm telefoniert, an dem Morgen, an dem er eigentlich seinen Termin hatte. Er sagte mir, dass es keinen Sinn mehr hätte, eine Behandlung zu beginnen. Endstadium. Keine Hoffnung. Er hörte sich sehr deprimiert an.«
    Sie schwiegen einen Moment. Von draußen auf dem Gang drang das Quietschen schlecht geölter Räder zu ihnen. Das Telefon läutete, doch der Professor ignorierte es.
    »Das war alles?«, wollte Fischbach wissen.
    Professor Hohenknecht lehnte sich nach hinten, verschränkte die Arme vor der Brust und legte den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. »Ich habe ihm geraten, alles zu regeln.«
    »Ein weiser Ratschlag«, urteilte Fischbach. »Sonst noch was?«
    Das Telefon läutete wieder. Professor Hohenknecht warf nur einen kurzen Blick darauf, musterte dann wieder Fischbach. Seine Heiterkeit schien nun vollends verflogen. »Ich habe mich hinreißen lassen.«
    »Hinreißen? Was muss ich mir darunter vorstellen?«, fragte Fischbach.
    »Ich habe ihm gesagt, dass er, so er denn wolle, in Würde und selbstbestimmt sterben könnte. Er solle darüber nachdenken.« Er sah Fischbach aufmerksam an.
    »Sie haben ihm zur Sterbehilfe geraten?«, fragte Fischbach ungläubig.
    Professor Hohenknecht winkte mit dem Zeigefinger ab. »Das haben Sie falsch verstanden. So habe ich es nicht ausgedrückt.«
    Fischbach verstand. Hohenknecht wollte sich unter keinen Umständen gegen den Karren fahren lassen. Er nahm die Visitenkarte vom Tisch und stand auf.
    »Wenn ich in einer solch schrecklichen Situation wäre«, orakelte er im Hinausgehen, »und ich zu dem Schluss kommen würde, nicht

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