Eifler Zorn
der
offenen Tür des Containers und klopfte symbolisch an die Wand. »Entschuldige
die Störung. Kann ich dich kurz sprechen? Es hat sich etwas ergeben.« Ihr
Gesicht war sachlich wie ihr Tonfall. Judith nickte ihr zu.
»Sofort.« Sie wandte sich
wieder an den Bauleiter. »Ist Ihnen am Zaun etwas aufgefallen? Gibt es
Anzeichen, dass jemand gewaltsam eingedrungen ist?«
»Nein.« Er räusperte sich
und zögerte, bevor er erklärte: »Wir schließen nicht immer ab, wissen Sie. Es
ist doch recht abgelegen hier, und wir haben keine Baumaterialien, die von der
Baustelle gestohlen werden können. Da reicht es, wenn wir die Drahtzäune
zuschieben, dass keine Kinder hineinkommen und in die Gruben fallen.«
»Schon gut.« Judith klappte
ihr Notizbuch zu und lächelte kurz. »Wir sind nicht von der Bauaufsicht.« Sie
stand auf und verließ den Bürocontainer. »Er hat nichts gesehen«, sagte sie zu
Ina, die mit dem Rücken zu ihr stand und wartete.
»Wär auch zu einfach, was?«
Ina verschränkte die Arme vor der Brust, drehte sich aber nicht zu ihr um.
»Hör mal, Ina …«
»Ja?«
»Ich …« Sie schluckte.
Ina schaute immer noch nach vorne in die Baugrube, als gelte es, noch eine
Leiche zu finden. »Was wolltest du denn?«
»Ich habe eine Information,
die ich dir nicht vorenthalten darf.«
Darf oder will?, fragte sich
Judith, wagte es aber nicht, diesen Gedanken auszusprechen. »Gut« war alles,
was sie stattdessen erwiderte. Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst.
»Steffen und ich sind darauf
angesetzt worden herauszufinden, wer im Wald unerlaubt Feuer entzündet. Die
Nationalparkverwaltung hat eine Mail bekommen, in der eine Gemünderin, Michaela
Rüttner, bezichtigt wird, nicht nur diese Feuer zu entzünden, sondern daran auch
satanische Messen abzuhalten«, ratterte Ina im Protokollstil herunter.
»Was hat das mit den
Mordfällen zu tun?«
»Wir haben die IP -Adresse des Absenders überprüfen lassen. Die Mail
wurde von Arno Koblers Computer geschickt.«
Judith zog eine Augenbraue
hoch. »Habt ihr schon mit dieser Michaela …«
»Rüttner.«
»Michaela Rüttner. Habt ihr
schon mit ihr gesprochen?«
»Nicht offiziell.«
»Dann wird es Zeit.« Judith
sah sich um. Sauerbier turnte mit umgeschlagenen Mantelschößen mit dem
Staatsanwalt am Fundort herum und erschwerte der Spurensicherung die Arbeit.
»Warte bitte hier.« Sie ging zum Grubenrand, kletterte die Leiter hinunter und
folgte dem angelegten Pfad. »Ich bin für eine Zeugenvernehmung kurz im Ort«,
sagte sie beiläufig zu Sauerbier, »mein Handy ist angeschaltet, und ich beeile
mich. Du bist hier ja noch eine Zeit lang beschäftigt.«
Sauerbier blickte nur kurz
auf, nickte und redete dann weiter auf den Staatsanwalt ein, der diesmal zwar
nicht vom Golfplatz geholt worden war, aber über den frühen Einsatz auch nicht
glücklich schien. Die Baggerführerin, die gestern die Leiche entdeckt hatte,
hockte in ihrem Führerhäuschen wie ein Vogel im Nest und beobachtete die
Szenerie unter ihr. Ihr Gesicht schwebte wie ein weißer Fleck über ihrer
dunklen Jacke. Judith blinzelte. Täuschte sie sich, oder weinte die Frau? Zwei
Leichen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen waren in der Tat harter Tobak, und
sie hatte schon gestern einen labilen Eindruck gemacht. »Baggerführerin«,
schrieb sie in ihr Notizbuch, um den flüchtigen Gedanken nicht zu verlieren.
Sobald sie Zeit hatte, würde sie noch mal mit ihr sprechen.
»Fahren wir«, sagte sie zu
Ina, als sie wieder oben angelangt war. »Es wartet eine Menge Arbeit auf uns.«
»Handy während der
Fahrt?« Judith schaute aus dem Fenster, während Ina mit der rechten Hand den
Polizeiwagen aus der Parklücke kurbelte und gleichzeitig mit der linken ihr
Telefon ans Ohr presste.
»Du kannst ja die Polizei
rufen.« Inas Mundwinkel zuckten.
»Ina, ich wollte
mich …«, setzte Judith an, kam aber nicht weit.
»Steffen?«, rief Ina.
»Steffen?« Sie schaute auf das Display. »MistEmpfang. Scheiß-Eifel«, schimpfte
sie leise, und Judith hatte auf einmal das Gefühl, hier genau richtig zu sein.
Sie hatte es vermisst. Vor dem Fenster zog die Landschaft vorbei. Hinter der
kurvenreichen Strecke durch Olef, die Ina mit Schwung und deutlich zu viel
Tempo auf der Nadel nahm, wartete das Schleidener Tal auf sie. »Ja, hör zu«,
schrie Ina jetzt ins Telefon. »Wir wissen jetzt, wer die Mail geschrieben hat.
Arno Kobler.« Pause. »Nein. Geht nicht. Er ist tot.« Pause. »Er wurde
umgebracht.« Ina
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