Eifler Zorn
sackte ein wenig in sich zusammen. »Die Sache bekommt deutlich
andere Züge als nur ein wenig Zündeln im Wald, Steffen.« Sie waren fast in
Schleiden angekommen. Auf der freien Strecke funktionierte der Empfang besser,
und Ina sprach jetzt leiser. »Wir sind auf dem Weg in die Schule, um sie zu
befragen. Ich bin gespannt, was sie uns dazu zu sagen hat. Ich halte dich auf
dem Laufenden. – Was? Arno Kobler hat was?« Sie sah Judith an und verdrehte die
Augen. »Der Empfang ist wieder weg. So ein Schrottnetz. Ich muss ihn später
noch mal anrufen.« Sie legte auf, warf das Handy auf die Ablage und schaltete
die Musik ein.
Ina lenkte den Wagen die
letzten Meter zum Parkplatz der Schule hinauf, auf dem sich die Wagen dicht an
dicht drängten. Die Schule thronte hoch über der Stadt Schleiden, und ihr
Standort bot einen wunderschönen Ausblick.
»Seit Henrike bei mir wohnt
und ich als ihre Ersatzmutter öfter mal zu Elternabenden oder Sprechtagen
antanzen muss, geht es, aber früher war es immer komisch für mich, hierhin zu
kommen. So als Erwachsener an der alten Schule.«
»Du bist hier aufs Gymnasium
gegangen, richtig?« Judith erinnerte sich, dass Ina ihr während ihrer
Praktikumszeit davon erzählt hatte.
»Ja. Allerdings waren wir
damals eine reine Mädchenschule. Heute haben sie gemischte Klassen.« Sie
schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gut finde.«
»Warum?« Judith versuchte
sich vorzustellen, wie und ob sie in einer reinen Mädchenklasse überlebt hätte.
»Naturwissenschaftlich
begabte Mädchen haben es in Klassen mit Jungen schwerer, sich gegen das
Rollenklischee durchzusetzen. Sie wählen dann eher Kurse, die dem entsprechen,
was sie denken, was man von ihnen erwartet.«
»Und werden nicht Physikerin
oder Polizistin.«
»Zum Beispiel.« Mit Schwung
setzte Ina den Wagen rückwärts in eine Parklücke, die sie oberhalb des
Schulgebäudes in einer Seitenstraße gefunden hatte. Sie schaltete den Motor
aus.
»Ina, es tut mir leid«,
sagte Judith und starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen. Sie machte
keine Anstalten, auszusteigen. »Ich wollte dich nicht abkanzeln. Ich hatte die
Anweisung von Sauerbier, dich nicht in die Ermittlungen miteinzubeziehen.
Deshalb.«
»Und die hast du jetzt nicht
mehr?«
»Doch. Die habe ich immer
noch. Sauerbiers Ansicht in Bezug auf dich ist sehr eindeutig.«
»Er hasst mich.«
»Er respektiert deine
Arbeit.« Sie grinste. »Ja, könnte sein, das mit dem Hassen.«
»Da das aber auf
Gegenseitigkeit beruht, sehe ich darin keine Schwierigkeiten.«
»Ich schon, Ina. Für mich.«
»Inwiefern?«
»Er ist derjenige, der
Einfluss auf meine weitere Karriere hat.«
»Und du willst es dir nicht
mit ihm verderben.« Keine Frage. Eine Feststellung.
»Er ist aber auch derjenige,
der mich behandelt wie die letzte Anfängerin. Heute Morgen hätte ich ihn
erwürgen können.«
»Dann hätten wir jetzt drei
Tote.« Ina trommelte mit allen zehn Fingern auf dem Lenkrad herum. »Und was
bist du für eine?«, fragte sie, ließ die Finger ruhen und schaute Judith an.
»Eine, die sich Mühe gibt,
alles richtig zu machen? Eine, die ihren Beruf sehr mag und weiterkommen will?
Eine, die gute Kolleginnen schätzt? Eine, die nicht weiß, wie sie aus dieser
Zwickmühle wieder rauskommt«, murmelte Judith.
»Selbstzweifel sind gut. Sie
verhindern, dass andere uns für arrogante Armleuchter halten.«
»Denkst du so von mir?«
»Soll ich ehrlich sein?«
»Ja.«
»Seit du wieder hier bist,
richtest du deine Handlungen nach deiner Karriereplanung aus. Du wägst ab,
welcher deiner Schritte dir wie dienen kann. Wo du was sagen kannst und wo
nicht. Ganz ehrlich?« Ina wandte sich Judith zu und beugte sich gleichzeitig so
weit nach hinten, dass sie mit dem Kopf an die Scheibe der Fahrertür stieß. »So
jemanden halte ich für arrogant und nicht geeignet für unseren Beruf.«
»Aber so bin ich nicht.«
»Das weiß ich. Weil ich dich
anders kenne.« Ina lächelte und klopfte ihr auf die Schulter. »Es besteht also
noch Hoffnung. Jetzt gehst du erst mal mit. Auf uns wartet eine Zeugin, die
sich vielleicht bald als Verdächtige herausstellt.« Sie öffnete die Tür und
stieg aus. »Komm, Frau Kommissarin. Die Arbeit ruft.«
Auf dem langen Tisch im
Lehrerzimmer stapelten sich Papiere, Fotos und Bücher. Michaela Rüttner hielt
einen weiteren Stapel in der Hand, dessen einzelne Blätter sie auf vorsortierte
Haufen legte.
»Hallo, Frau Weinz.« Sie
schaute Ina
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