Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
Vom Netzwerk:
erwartungsvoll an, während sie ihr die Hand reichte. »Hat sich
wieder jemand über mich beschwert, dass jetzt sogar die Polizei anrücken muss?«
Sie musterte Judith.
    »Bleuler«, stellte Judith
sich vor. »Ich bin Frau Weinz’ Kollegin.«
    »Wenn Sie mir eine Minute
Zeit lassen, mache ich das hier noch schnell fertig.« Sie wies auf den Tisch.
»Nächste Woche habe ich mit einer Klasse einen Ausflug zu einem der
Fledermausstollen geplant, und die Kinder sollen sich in Projektgruppen darauf
vorbereiten.«
    »Wo gehen Sie hin?«, fragte
Ina und beugte sich über eine Karte, die ausgebreitet auf dem Tisch lag.
    »Fahren. Wir fahren erst mit
dem Bus, und dann laufen wir ein Stück durch die Hirschrott bei Erkensruhr. Es
ist sehr schön da. Und noch geht es. Wenn es zu kalt wird, ziehen sich die
Fledermäuse in ihre Verstecke zurück und fallen in den Winterschlaf.« Sie legte
die letzten Blätter ab und rieb sich die Hände. »So. Fertig. Kommen Sie.« Sie
ging einige Schritte weiter zu einer kleinen Tischgruppe am Fenster, von der
aus man eine schöne Aussicht über das Schleidener Tal hatte, zog sich einen
Stuhl heran und setzte sich. »Bitte«, forderte sie Judith und Ina auf, es ihr
gleichzutun. »Mit Henrikes Klasse war ich auch vor einiger Zeit dort. Der
Stollen hat besonders den Mädchen gut gefallen. Sie fanden ihn ›chillig‹ und
wären gerne länger dortgeblieben. Sie wollten sogar noch einmal allein dahin,
angeblich, um weitere Beobachtungen zu machen. Ich glaube ja eher, dass sie
dort in dieser besonderen Atmosphäre ein wenig abhängen wollten, wie sie es
nennen.« Sie lachte, wurde aber gleich wieder ernst. »Deswegen sind Sie aber
sicher nicht zu mir gekommen, oder?« Die Frage war an Ina gerichtet.
    »Nein.« Ina sah erst
Michaela Rüttner und dann Judith an, nickte ihr unmerklich zu. Das hier war
ihre Aufgabe. Sie war die verantwortliche Kommissarin. Judith räusperte sich.
    »Kennen Sie Arno Kobler?«
    »Ja. Er ist der Vater einer
meiner Schülerinnen. Luisa.« Sie stutzte. »Wieso?«
    »Haben Sie Kontakt zu ihm
außerhalb der Schulangelegenheiten?«
    »Wieso wollen Sie das
wissen?«, fragte Michaela Rüttner erneut und suchte den Blickkontakt zu Ina.
Sie verschränkte ihre Hände und ließ sie unter die Tischplatte rutschen. »Ist
etwas passiert?«
    »Sie haben mir doch gestern
Abend von den Schwierigkeiten erzählt, die Sie mit den Nachbarn und einigen
Eltern haben«, mischte Ina sich ein.
    »Ja. Was haben die mit Arno
zu tun?«
    »Arno?« Ina beugte sich vor.
»Sie duzen sich?«
    Michaela Rüttner biss sich
auf die Lippe und schlug die Augen nieder. Dann holte sie tief Luft. »Was
soll’s. Sie bekommen es ja eh heraus. Ich habe Ihnen gestern Abend einiges,
aber nicht alles erzählt. Meine Nachbarinnen werden es Ihnen sicher gerne brühwarm
unter die Nase reiben. Eine von vielen meiner Verfehlungen: Wir haben ein
Verhältnis. Schon seit einigen Wochen.«
    »Ein Verhältnis?«, fragte
Ina verwundert.
    »Haben Sie etwas dagegen
einzuwenden? Sind Sie auch eine von denen, die das unmoralisch finden?«
    »Nein.« Ina sah zu Boden,
bevor sie langsam den Kopf schüttelte.
    »War er gestern bei Ihnen?«,
fragte Judith.
    Michaela Rüttner nickte.
    »Wann?«
    »So bis um acht. Dann sagte
er, er müsse nach Hause, damit seine Frau nicht …« Sie verstummte und
hielt sich die Faust vor den Mund.
    »Arno Kobler ist vermutlich
der Verfasser einer Mail, die Sie bei der Verwaltung des Nationalparks
angeschwärzt und als Urheberin von schwarzen Messen auf Nationalparkgelände
benannt hat«, konfrontierte Judith sie mit den Fakten.
    Michaela Rüttner verlor alle
Farbe. Ihr Gesicht wurde grau, das helle Blau ihrer Augen verblasste, die
Pupillen schrumpften zu winzigen Punkten.
    »Was? Er hat die Mail geschrieben?« Sie hob ratlos die Hände und starrte betroffen aus
dem Fenster. »Wie konnte er nur?« Sie griff sich an die Schläfe. »Warum hat er
das getan? Ich liebe ihn doch. Und dachte, er liebt mich.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«,
wollte Judith wissen.
    »Ja. Gestern noch. Für ihn
war es ungeheuer wichtig. Ich hatte fast den Eindruck, dass er mich nur für
sich allein haben wollte.« Sie legte die Arme um ihren Oberkörper, als würde
sie frieren, und neigte den Kopf zur Seite.
    »Frau Rüttner, es tut mir
sehr leid für Sie.« Judith wappnete sich innerlich. Auch wenn diese Frau nicht
die Ehefrau, sondern die Geliebte des Toten gewesen war – ihre Trauer war
deswegen nicht kleiner. »Arno Kobler ist

Weitere Kostenlose Bücher