Ein Abenteuer zuviel
und atmete tief ein. „Ich denke an ihre Gefühle”, fuhr sie dann unerwartet leidenschaftlich fort. „Das ist etwas völlig anderes. Hast du noch nie an die Gefühle anderer gedacht?”
Es trat ein verräterisches Schweigen ein.
„Nein, das hast du nicht, oder?” fragte sie schließlich bedächtig. „Du hast immer alles gehabt, was du wolltest. Du besitzt Geld und Charme und gutes Aussehen, und … und … alles ist immer so gelaufen, wie du es wolltest. Du musstest dich nie zurücknehmen und dir über andere Leute Gedanken machen, denn die anderen Leute haben sich über dich Gedanken gemacht.”
„Das ist absoluter Unsinn.”
„Nein, das ist es nic ht. Es ist die Wahrheit.” Ruth ging um die Koffer herum zu dem Schaukelstuhl, der seit der Ankunft des riesigen Betts mit der Rückenlehne an der Wand stand. Sie setzte sich hinein und blickte Franco an.
„Deshalb hast du es auch so eilig, von hier wegzukommen. Du wolltest mit mir schlafen, und weil ich Nein gesagt habe, hast du beschlossen, so schnell wie irgend möglich das Haus zu verlassen. Da du nicht bekommst, was du willst, hast du auch nicht mehr das Verlangen, Mum und Dad zu beeindrucken oder dich zumindest persönlich von ihnen zu verabschieden. Du möchtest mit der ganzen Situation nichts mehr zu tun haben und kannst es nicht erwarten, allem den Rücken zuzukehren.”
„Hör dir doch nur einmal selber zu!” erwiderte er abweisend. Insgeheim gestand er sich jedoch ein, dass sie im Grunde Recht hatte, wenngleich es reichlich übertrieben war. „Ich tue das, was du willst, und dann hast du den Nerv, mir zu erzählen, ich sei rücksichtslos!”
„Ich bitte dich, zumindest bis morgen zu warten. Du hast Mum und Dad gesagt, dass …” Ruth spürte, wie ihr erneut Tränen in die Augen traten, und sie schluckte heftig, um nicht zu weinen. Offenbar hatte sie durch die Schwangerschaft noch näher am Wasser gebaut, als es ohnehin schon der Fall war. „Du hast ihnen gesagt, dass du den Segensgottesdienst für eine ausgezeichnete Idee hältst. Und jetzt, nachdem sie freudestrahlend ins Bett gegangen sind und schon überlegen, was alles getan werden muss, willst du weggehen, ohne dich von ihnen zu verabschieden!”
„Ich …” Nun kam er sich wirklich mies vor. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich von seinen Gefühlen leiten lassen, und was war das Ergebnis? Er stand da wie ein Schuft! Und zu allem Übel fiel ihm auch nichts ein, was er zu seiner Verteidigung vorbringen konnte.
„Mir ist ohnehin schleierhaft, warum du dem Segensgottesdienst zugestimmt hast. Die Dinge sind bereits kompliziert genug und müssen nicht noch weiter verkompliziert werden.”
„Ich…” „Lässt du mich bitte ausreden!”
Ihr scharfer Ton beeindruckte ihn maßlos, so dass Franco buchstäblich einen Schritt zurückwich, bevor er Ruth prüfend anblickte. Und dann schlich sich ein amüsierter Ausdruck in seine Augen, als er sie, einem zitternden Engel gleich, in dem Schaukelstuhl sitzen sah.
Nein, er würde sie nicht aufgeben. Er würde sie nie aufgeben. Wenn sie ihn nicht liebte, würde sie ihn lieben lernen. Denn sie war die einzige Frau, die er je geliebt hatte und die er je lieben würde. Er würde die körperliche Anziehungskraft nutzen, die er noch immer auf sie ausübte, und er würde nicht eher ruhen, bis er ihre Abwehr durchbrochen hatte.
Franco spürte, wie ihn dieser Entschluss ganz gelassen machte. Sollte Ruth ruhig schimpfen, ihr Schicksal war besiegelt. Er war ihr Schicksal, genauso wie sie seins war. Und sein Stolz würde der Erfüllung etwas so Wunderbarem und Großartigem nicht im Weg stehen.
„Du willst jetzt also einfach gehen und es mir überlassen, den Scherbenhaufen hinter dir wegzuräumen!”
„Na ja, eigentlich würde es keinen Scherbenhaufen geben, wenn du nicht…”
„Es ist zwecklos, auf etwas herumzureiten, das schon geschehen ist…”
„Sag, warum bist du überhaupt so gegen einen Segensgottesdienst?” Franco lenkte das Gespräch bewusst in eine andere Richtung, denn sein Entschluss abzureisen kam ihm von Minute zu Minute sinnloser und voreiliger vor.
„Ihn abzuhalten erscheint mir nicht richtig”, antwortete Ruth leise.
„Er ist genauso wenig richtig wie die angebliche Ehe, die wir führen”, konterte er mit unerbittlicher Logik.
„Du weißt schon, was ich meine”, erwiderte sie störrisch, und Franco schüttelte verwundert den Kopf.
„Nein, das tue ich nicht! Ich weiß absolut nicht, was du meinst! Und ich
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