Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
Vom Netzwerk:
um. Mit meinen letzten Kräften erreichte ich das Haus.
    Helene hatte mich erwartet; mit einem Blick erfaßte sie den Zustand, in dem ich mich befand. Sie fing mich auf, indem sie mich umarmte und an sich drückte … »Endlich«, hörte ich an meinem Ohr.
    Meine Gesundheit war untergraben; die Augen schmerzten, und ihre Sehkraft war stark geschwächt. Ein Nervenfieber raffte mich fast dahin. Durch Wochen fühlte ich dunkel, wie Helene um mich rang, erkannte sie in Lichtblicken. Dann durfte ich im Garten sitzen, die ersten Gänge tun.
    Oftmals und dringend hatten meine Prokuristen nach mir geschickt. Endlich fuhr ich ins Zentrum, um mich nach meinen Geschäften umzusehen. Ich fand sie in größter Unordnung. Versicherungsverluste durch Katastrophen, Sturz der Wertpapiere, Veruntreuungen hatten in Wochen verschlungen, was in Jahren gehortet worden war. Vor allem aber hatte ich die Affinität zum Geld verloren, die scharfe Witterung, die für Finanzgeschäfte unentbehrlich ist. Ich hatte den Zustand des Hohlen, des Nimmersatten eingebüßt, der bewirkt, daß die abstrakten Summen anströmen. Die spekulative Neigung war in mir erloschen, und ihre Zeichen verloren für mich den Sinn, die Wirklichkeit.
    Ich ließ ein Verzeichnis meiner Effekten, Liegenschaften und Mobilien aufstellen. Alles in allem mochten sich Gewinne und Verluste ausgleichen. Es fand sich ein Liquidator, der in die Gesamtheit meiner Forderungen und Pflichten eintrat, mit allem Risiko. Mir blieben der Pavillon bei Stralau und die Geschenke, die ich Helene gemacht hatte. Sie gaben den Grundstock zu einem kleinen Antiquariat. Mein Sinn für alte und erlesene Dinge kam mir dabei zugut. Wir heirateten und lebten wie alle Welt.
    Im kleinen, bescheidenen Treiben des Tages und seiner Sorgen kam mir das Vergangene bald wie ein Phantasiestück, wie ein Gebilde des Traumes und meiner Krankheit vor. Die Woge war angeschäumt und in sich selbst zurückgerollt, doch ohne mein Verdienst. Ich hatte dem Bösen und seiner Pracht entsagt, doch weniger aus Abscheu, als weil ich ihm nicht gewachsen war. Das Böse hatte mich in seinen Dienst genommen und aus ihm entlassen wie in Prokura eines sehr fernen, unsichtbaren Herrn. War ich nicht gänzlich verloren gegangen, so mußte das daran liegen, daß ich noch an einem Punkte mit dem Guten in Berührung geblieben war. Ich hatte mein Leben dann einer schwächeren Übersetzung des Bösen angepaßt und war von seinem akuten auf den moderierten Zustand zurückgekehrt.
    Ich kehrte auch zur Kirche zurück, als einer von denen, die die Weltangst zu den Altären treibt. Ich folge den Geboten, erfülle das Gesetz. Doch fühle ich, daß die Mysterien die Kraft verloren haben und die Gebete nicht durchdringen. Es liegt kein Verdienst in meiner Gerechtigkeit. Ich fühle kein Echo in meiner Brust.
    Das ist der Grund, aus dem ich eingangs sagte, daß mein Name der Überlieferung unwert sei. Ich lebe, wie meine Zeitgenossen, im Niemandsland und werde wie sie dahingehen. Wir haben die ungeheuren Mächte angerufen, deren Antwort wir nicht gewachsen sind. Da faßt uns das Grauen an. Wir stehen vor der Wahl, in die Dämonenreiche einzutreten oder uns auf die geschwächte Domäne des Menschlichen zurückzuziehen. Hier mögen wir uns fristen, solange der Boden noch Nachfrucht bringt.

DIE EBERJAGD, 1952
    Die Schützen hatten sich längs der Schneise aufgestellt. Der Fichtenschlag stand hinter ihnen mit schwarzen Zacken; die Zweige berührten noch den Grund. Vergilbtes Waldgras war in sie eingeflochten und hielt sie am Boden fest. Das machte den Eindruck, als ob dunkle Zelte aufgeschlagen wären, Herbergen gegen Sturm und Kälte im tief verschneiten Land. Ein Gürtel von fahlem Schilf verriet den Graben, der unter dem Schnee verborgen war.
    Das Waldstück grenzte an das Fürstliche. Es war im Sommer schwül und stickig, und Schwärme von Bremsen zogen die Lichtungen entlang. Im Herbst, wenn die Gespinste flogen, bedeckten Legionen von Pilzen den moosigen Grund. Die Beeren glänzten wie Korallen auf den Kahlschlägen.
    Es hatte eben erst zu schneien aufgehört. Die Luft war köstlich, als ob die Flocken sie gefiltert hätten; sie atmete sich leichter und trug den Ton weithin, so daß man unwillkürlich flüsterte. Die frische Decke schien jede Vorstellung des Weißen zu übertreffen; man ahnte herrliche, doch unberührbare Geheimnisse.
    Die besten Plätze waren dort, wo eine Schonung an die Schneise stieß. Kaum ragten die grünen Spitzen aus dem

Weitere Kostenlose Bücher