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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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unauslöschlicher Liebe, die dem Volk und nicht der Parteiung gilt. Ich habe dafür mit guter Münze gezahlt, so mit dem Sohn, der 1944, aus dem Gefängnis entlassen, sich zur Front meldete und bei Carrara gefallen ist Er wußte zu unterscheiden zwischen Innen und Außen, zwischen Volk und Partei, zwischen dem, was sein Gewissen verstörte, und dem, was heraufdrohte. Diese Unterscheidung schwindet im Weltbürgerkriege, und dort vor allem, wo er als Nationalkrieg verloren wurde und die historische Substanz vernichtete. Es bleibt zu hoffen, daß die Werte sich im Abgrund sublimieren und neu gefaßt werden:
    Wenn aus der Tiefe kommt der Frühling in das Leben,
    Es wundert sich der Mensch, und neue Worte streben
    Aus Geistigkeit, die Freude kehret wieder
    Und festlich machen sich Gesang und Lieder.
    So findet vieles sich, und aus Natur das Meiste.
    (Hölderlin)
    Wunderlich bleibt, daß dabei überhaupt etwas bestellt wurde, daß sich der Mut nicht verlor. Der Erfolg, wenn überhaupt davon die Rede sein kann, ist eher Zugabe, ist eine Prämie. Hier gilt ein Spruch des Heraklit, über den ich oft gesonnen habe: »Der Walkschraube Bahn, ob gerad oder quer, ist einunddieselbe.« Das soll wohl heißen: Hat einer sein Feld gepflügt, so liegt sein Verdienst in der Leistung, gleichviel, wie die Furchen ausfielen, wenn er nur die Hand am Griff behielt.
    In diesem Sinne betrachte ich mein Werk. Ich maße mir darüber kein Urteil an, und ich trete auch nicht in die Polemik ein, die meiner Person und meiner Arbeit gilt. Ich weiß, daß ich Zeit meines Lebens vielen ein Ärgernis gewesen bin. Das begann schon in der Schule, wo ich meine Lehrer als der zugleich beste und schlechteste Schüler irritierte, und es setzte sich bei den Preußen fort, die mir ihren höchsten Orden gaben und denen ich als unbequemer Untergebener ein Dorn im Auge war. Die Ambivalenz begleitete mich durch die mehr als sechzig Jahre meiner Autorschaft, und es ist zu erwarten, daß sich daran auch wenig ändern wird. Vom Unvollkommenen bin ich überzeugt – dem gilt die Selbstkritik: die Einsicht, daß trotz unablässigem Bemühen dem Wort das Letzte nicht abzugewinnen ist. Es bleiben Anklänge.
    Die beste Zeit für den Autor ist vorüber, wenn er nicht mehr mit seinem Werk allein, wie mit der Geliebten in der Kammer, beisammen ist. Hat er die Arbeit beendet, so bedrängen ihn sekundäre Probleme wie das der Publikation. Das gilt besonders für gefährliche Stoffe, für heiße Eisen, wie ich sie immer wieder anfaßte. Mit wachsendem Alter wird man behutsamer, und die Frage nach der Verantwortung gewinnt an Gewicht.
    Weniger beschäftigt mich die unvermeidliche, von außen kommende Frage: »Was haben Sie damit beabsichtigt?« Man pflegt nichts zu beabsichtigen; man wird in Dienst gestellt. Der Lohn liegt im Genuß, den eine auf zwei, drei Stunden konzentrierte Meditation gewährt. Und diese Meditation führt weiter; sie nähert an. Sie ist nicht an den Leser gerichtet, obwohl er an ihr teilnehmen kann. Insofern wird ihm mehr geboten als ein Buch – nämlich das, was ein Buch sein sollte: ein Fahrzeug, das man nicht mehr als derselbe verläßt, der eingestiegen ist. Da soll auch keine Unterhaltung, nicht einmal Kunst geboten werden; ein Gang zum Magma, aus dem nicht nur die Meinungen, sondern auch die Bilder aufsteigen, soll gewagt werden.
    Nicht durch den Erfolg, gleichviel auf welcher Höhe, selbst auf der des Ruhmes, gewinnt und wahrt die Leistung ihr Gewicht. Sie ist vielmehr ein Akt der Selbstbegegnung, der Selbstverwirklichung. Der Autor nähert sich mit dem Wort dem Schweigen und bangt um Antwort; er begegnet dem, was unpersönlich und unzerstörbar in ihm wohnt. Das Ziel liegt hinter den Bildern und wirkt von dort aus in die Dauer; auch Nachruhm ist nur der Hinweis auf ein Gelingen außerhalb der Zeit. Viel bleibt im Namenlosen, im Unerfüllten, bei früh Gefallenen.
    Was hat nun der Leser damit zu schaffen, wenn das Wort zwar nicht an ihm vorbeigeht, doch auch nicht an ihn gerichtet ist? Sein Anteil, sein Dabei-Sein ist wichtiger, als er ahnt. Er trifft sich mit dem Autor in einer Tiefe, die das Wort nur anzielt, doch nie erreicht. Hier wächst ein Verständnis, das ich täglich erfahre, doch das nur behutsam berührt werden darf. Auch Antwort von den Rändern ist nicht zu verachten: von den Schwellen der Gesellschaft, der Psyche, der Moral. Ein Zeichen sei angedeutet: die Begegnung im Traum. Es vergeht keine Woche, in der mir nicht im Gespräch oder

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