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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Das gefiel mir – es konnte also so schlimm nicht stehen. Trotzdem frug ich: »Freddy – ist noch Aussicht für uns?«
    »Aussicht in jedem Fall.« Dann, mit dem Arm auf den dunklen Knoten weisend: »Au canon!«
    So riefen die Grenadiere, als Grouchy vor Waterloo lavierte, anstatt ins Feuer zu gehen.
    Wie gesagt, schätze ich Zitate besonders, wenn es brenzlig wird. Dann werden sie wie eine Auszeichnung verliehen. Nach wenigen Schritten hatten wir die Taille erreicht. Sie wurde durch eine Doline gebildet, deren Trichter sich fast lotrecht absenkte. Hier hatte das Feuer nichts ausrichten können, aber die Flammen bliesen darüber her. Schwaden wie über einer Küche oder einer Werkstatt verhängten die Sicht. Fußte der Trichter auf der Erdglut, oder hatte er das Grundwasser erreicht? Die Schwaden, die bald wie Rauch und bald wie Dampf aussahen, sagten nichts darüber aus. Was dort unser harrte, war nicht zu erkennen, doch ging es jetzt um Sekunden – wir mußten hinunter auf jeden Fall.
    Freddy schlug den Pickel in die Erde und machte das Seil daran fest. Mir fiel auf, daß er Schlaufen darein geknüpft hatte. Daran mußte er schon im Bistro gedacht haben. Warum aber den Eispickel? Vielleicht war es dort unten so kalt. Ich fragte:
    »Freddy – sind wir verloren?«
    Er antwortete: »Das wird nicht akzeptiert. Aber wir müssen heiraten.«
    Das sah ich ein.
    Wilflingen, 30. September 1988
    Traum, juste milieu. Ich war für fünf Uhr nach Steglitz eingeladen und hatte noch einige Stunden Zeit, während deren ich am Rande von Parks und öffentlichen Gärten spazieren ging. In einem davon war eine Wirtschaft eingerichtet; es standen Tische im Grünen, an denen bedient wurde. Früher mußte hier ein Friedhof gewesen sein. Die meisten Gräber waren eingeebnet, doch standen vereinzelt noch Säulen und Urnen aus der Biedermeierzeit.
    Immerhin hatte soeben eine Beerdigung stattgefunden; das war wohl eine Ausnahme. Sie stand zu der fröhlichen Gesellschaft, die hier tafelte, in seltsamem Kontrast. Wie sollte ich ihn mir erklären? Ich nahm an, daß sich das Ahnengrab einer alten Familie erhalten hatte, in dem einer ihrer Letzten bestattet worden war; wahrscheinlich hatte er es in seinem Testament verfügt. Diese Vermutung schien mir auch der Uniformen wegen begründet, die ich am Grab erkannte – die Trauergemeinde hatte sich noch nicht zerstreut. Zu meiner Überraschung sah ich nun den König, um den sie einen Halbkreis bildete.
    Es traf sich, daß ich meines Besuches wegen schon mit Zylinder unterwegs war – ich nahm ihn ab und bezeugte am Grabe dem, der dort ruhte, meine Reverenz. Der König erwies mir die Ehre, mich anzusprechen; er fragte mich, ob ich den Toten gekannt hätte.
    »Nein, aber da ich Eure Majestät an seinem Grabe sehe, muß er ein guter Untertan gewesen sein, und in diesem Sinne bin ich ihm verwandt.«
    Die Antwort schien dem Monarchen zu gefallen; wir kamen ins Gespräch.
    Die Gesellschaft ging dann zu einer Tafel, die für sie vorbereitet war. Sie war mit dem Silber der Familie gedeckt. Der König lud mich zum Sitzen ein.
    »Majestät – mein Platz dürfte eher hinter als auf einem dieser Sessel sein.«
    Auch das kam gut an. Der König sprach mit einem Adjutanten, der mich an einen der Nebentische führte, die für die Beamten und die Begleitung bestimmt waren. Damit begann ein neuer Abschnitt meines Lebens; ich machte bei Hofe Fortune. Mit einem Begräbnis fing es an. Es war mein eigenes.
    Wilflingen, 9. Oktober 1988
    Grüne Körner. Ich wollte Saint-Sauveur besuchen, den Autor des Werkes über die Käfer Mallorcas – ich kam mit einer Frage an ihn. Es war nicht einfach gewesen, seine Wohnung zu finden; er führte ein unstetes Leben, nachdem sein Bettschatz leprös geworden war. Auch vordem hatte er unter dem Namen Graf Neufeld nur mit wenigen Freunden verkehrt.
    Vor dem Hause traf ich seinen Anwalt, von dem ich erfuhr, daß der Graf oben im fünften Stock eine ärztliche Praxis begonnen habe, die stark überlaufen sei. Wahrscheinlich würde er für mich keine Zeit haben. Versuchen könnten wirs trotzdem.
    Das Haus war verwohnt; es war nach Kriegen und Inflationen abgetragen wie ein oftmals gewendeter Rock. Der Fahrstuhl war seit langem außer Betrieb. Penner hatten sich darin ein Nachtlager zurecht gemacht. Auf den Treppen roch es übel; die Spülung war defekt. Der Küchendunst mischte sich mit dem widriger Abfälle. Vor den Etagen hatten sich Gruppen von Auf- und Absteigenden gebildet, die dort,

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