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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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um Luft zu schöpfen, rasteten. Sie unterhielten sich in einer mir unverständlichen Sprache, die einem medizinischen Wörterbuch entnommen schien.
    Auch wir mußten beim Aufstieg Pausen einlegen. Dabei erfuhr ich von dem Anwalt Näheres. Der Graf hatte auf sein Diplom zurückgegriffen, als es mit der neuen Seuche ernst zu werden begann. Der Tod seiner Freundin mochte den Anlaß gegeben haben, doch hatte er von jeher eine Neigung für Morbides und Anbrüchiges [sic!] gehabt. Wenn er auf seiner Insel erfuhr, daß ein alter Olivenbaum gefällt werden sollte, hatte er ihn dem Bauern abgekauft. In seinen Ställen genossen Pferde und Hunde bis zu ihrem natürlichen Tode das Gnadenbrot. Wenn das ein Zeichen von Dekadenz war, dann ein erfreuliches. Daher wohl auch die Wahl dieses Hauses und die Sorge für diese dahinvegetierende Klientel, die sich von der Seuche wie von einem Tier, das noch keinen Namen hatte, am Halse gepackt fühlte.
    Der Andrang erklärte sich dadurch, daß man ein neues Mittel gegen diese Geißel entdeckt zu haben glaubte – ein solches Gerücht alarmierte die Kranken fast in jedem Monat und wurde ebenso bald als Fata Morgana erkannt. Aber man klammert sich an einen Strohhalm, bevor man ertrinkt.
    Diesmal war es das Korn eines besonderen Weizens, der aus China importiert wurde. Man pflanzte es dem Kranken ein und konnte es sogar ihm selbst überlassen, da seine Haut sich schon im ersten Stadium des Leidens veränderte. Sie wurde locker und schwammig wie ein Acker, auf den es während des Monsuns geregnet hat. Sie konnten sich das Korn mit dem Daumen eindrücken. Und da viel bekanntlich besser hilft als wenig, begnügten sie sich nicht mit einem einzelnen.
    Die grünen Körner waren über Nacht in Mode gekommen; sie wurden unter diesem Namen angeboten und verabreicht, obwohl sie eigentlich gelb waren. Aber die Titel werden in der Rangordnung verliehen, die Eindruck macht. Nach einigen Tagen wurden die Keimlinge grün. Das schaffte, wenigstens in der Stimmung, eine günstige Wirkung, ein Frühlingsgefühl.
    Das Sprechzimmer war überfüllt. Leider war der Chef nicht anwesend. Hinter seinem Pult saß ein kleiner Chinese und teilte die Weizenpäckchen aus. Es gab weder Rezepte noch Rechnungen.
    Obwohl das Mittel erst seit kurzem bekannt war, mußten es viele, ja fast alle bereits verwandt haben. Ich sah es am grünen Flaum um Kinn und Wangen, mit dem sie wie Waldmenschen auftraten. Dagegen fielen die Neulinge mit ihren Runzeln und Schrunden erbärmlich ab.
    Ich hatte den Grafen nicht getroffen; er hatte jetzt andere Anliegen als damals in der Macchia, die wir mit dem Netz durchstreift hatten. Was ich hier sah, stimmte mich traurig: all diese Leiden und diese Hoffnungen, die morgen enttäuscht werden sollten – wozu kommen wir auf die Welt?
    Ich trat ans Fenster und blickte in einen trüben November hinaus. Das Holz des Fensterbrettes war mürb wie Zunder; der Hausschwamm nistete in ihm. Einige Weizenkörner hatten sich hierher verirrt und keimten auf dem mulmigen Grund. Dazwischen waren Pfennige gelegt. Sie stammten von den ganz Armen und ihrer Dankbarkeit.
    Wilflingen, 28. Juli 1990
    Ein Schwede und ein Mulatte begegnen sich auf der Straße, gehen mit freundlichem Lächeln aneinander vorbei. Der Schwede zeigt dabei mit der Hand nach unten: »Unsere Hochzeiter.«
    Jetzt erst sehe ich, daß beide einen Hund von gleicher Rasse an der Leine führen – offenbar Männchen und Weibchen, wie ich dem Zuruf entnehmen darf.
    So weit, so gut. Ein alltäglicher Vorgang – wenn ich ihn nur nicht geträumt hätte. Bei Tage hätte sich das Lächeln, obwohl ich die Hunde noch nicht gesehen hatte, im logischen Fortgang, wenngleich überraschend, erklärt. Im Traum aber muß ich die Personen, da sie nicht existierten, sowohl mit dem Lächeln wie auch mit seiner Ursache von vornherein ausgestattet haben – das wäre ein Zeitsprung, wenngleich bescheidener Art.
    Möglich wäre auch, daß ich die Hunde übersehen hätte – dann wäre das Lächeln wahrgenommen worden als Zeichen einer atmosphärischen Sympathie. Und der Zuruf? Vielleicht hatte man irgendwo in der Bekanntschaft geheiratet.
    Denkbar wäre ferner, daß dem Träumer als dem eigenen Regisseur seiner Traumwelt das Lächeln nicht genügt hat; er wollte eine Lücke seiner Wahrnehmung ausfüllen. Daher griff er in seinen Requisitenkasten und zog blitzschnell die beiden Hunde hervor. Es hätten auch zwei Maikäfer oder ein Zwillingskristall sein können – sowohl

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