Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
der fatale Brief vernichtet war, wollte Justin keine Zeit verlieren, nach Basingstoke zurückzukehren, Alina heiß zu küssen und ihr zu versichern, dass alles gut war. Dann wollte er den unersetzlichen Wigglesworth einsammeln und auf dem schnellsten Wege Carlton House aufsuchen, wo er, hoffentlich zum letzten Mal, würde zu Kreuze kriechen müssen.
Als er jedoch gegen Mittag auf Basingstoke eintraf, verkündete ihm der Butler noch in der Halle, dass die Herrschaft nicht daheim sei. Sie alle, einschließlich der werten Lady Alina, seien schon im Morgengrauen nach London abgereist.
Während Justin, an seinem Krawattentuch zerrend, die Treppe hinaufjagte und lauthals nach Wigglesworth verlangte, rief der Butler ihm nach: „Mylord, der Duke und die Duchess of Ashurst werden mit den andern zusammentreffen, hörte ich Lady Nicole sagen. Es wird sicher eine heitere Gesellschaft werden, Sir. Man bittet Sie, wenn Sie möchten, sich heute Abend um elf Uhr im Carlton House einzufinden. Werden Sie das noch schaffen, Sir?“
Als Justin seine Meinung darüber, was er von dieser „Bitte“ hielt, laut äußerte, hielt der Butler hastig dem jüngsten Hausburschen, der auf Befehle wartend neben ihm stand, die Ohren zu.
„Nicole, sitz still“, bat Charlotte nicht zum ersten Mal, seit die Zwillinge auf dem Weg zum Carlton House zu ihr in die prächtige Stadtkutsche gestiegen waren.
Alina war im Stadtpalais von Rafe und Charlotte abgesetzt worden, um ihre Abendrobe anzulegen, da ihr Gepäck hier noch wartete. Die Zwillinge kleideten sich indes in Tanners Mayfair-Haus für den Abend um.
„Es ist so lästig, dass all diese Wagen die Zufahrt verstopfen. Wir werden in Ewigkeit nicht ankommen! Justin darf nicht vor uns eintreffen, er wird alles ruinieren, und dann spielt es keine Rolle mehr, wann wir da sind.“
Alinas Magen krampfte sich zusammen, und zwar nicht, weil sie gegen die Fahrtrichtung saß. „Nicole hat recht, das wäre entsetzlich. Er würde, wie üblich von Wigglesworth herausgeputzt, zum Prinzregenten hinstolzieren und herrisch verlangen, mich zu sehen.“
„Und dir direkt danach die Haut abziehen, weil du ohne ihn nach London gefahren bist. Tanner und Rafe haben um fünfzig Pfund gewettet, wie schnell er sich vom besorgten Verlobten in den wütenden Liebhaber verwandeln wird.“
Nicole lachte. „Was meint ihr, worüber sie im hinteren Wagen reden?“ Dort befand sich der Rest ihrer Gesellschaft. „Ob sie sich fragen, wie sie Justin bändigen sollen, wenn er gewalttätig wird?“
„Justin wird nie gewalttätig“, verkündete Alina stolz, „höchstens unglaublich tüchtig. Und wenn er glaubt, dass mir etwas geschehen ist, könnte er sehr tüchtig werden.“
„Oh Gott, du könntest recht haben“, hauchte Lydia. „Warum habe ich auch solche Ideen, und warum nur gebe ich sie vor den Ohren meiner Schwester von mir?“
Alina kicherte und lehnte sich in die weichen Polster zurück. Ihre Nerven waren wirklich arg angespannt. Doch dann dachte sie daran, wie ihre Tante Mimi ihr immer wieder eingebläut hatte, dass ein hoher Rang seine Privilegien mit sich brachte. Und heute Abend war sie in ranghoher Gesellschaft – ein Duke und ein Marquis samt Gemahlinnen. Der liebe Justin glaubte vielleicht, er stünde allein im Leben, doch er besaß sehr gute, treue und noch dazu hochstehende Freunde.
Schließlich hielt die Kutsche an, und Lydia spähte durch die Scheibe. „Endlich, wir sind da. Vor der Freitreppe stehen schon eine Menge Leute. Ich dachte, zu dieser Jahreszeit wäre kein Mensch in London.“
„Er ist immerhin der Thronerbe“, erinnerte Charlotte. „Wer würde sich weigern, zu diesem Empfang zu kommen, wenn seine Königliche Hoheit den Jahrestag des Großen Feuers von London zu begehen wünscht?“
Nicole lachte. „Besonders, da es sich so hübsch mit unseren eigenen Plänen trifft. Welch ein Glück, dass Rafe eine Einladung bekam. Ah, endlich!“ Sie griff nach dem Türknopf, wurde aber von Charlotte zurückgehalten. „Ungeduld, mein größtes Laster!“
„Wirklich dein größtes? Dann hat man mich nicht gefragt“, sagte Lydia, woraufhin Nicole ihr einen überrascht-amüsierten Blick schenkte. „Tanner meint, ich sollte viel öfter sagen, was ich denke. Es sei sehr … befreiend.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, er hat recht.“
„Und ich glaube, dass ich außerordentlich dankbar bin, euch beide nicht mehr hüten zu müssen“, warf Charlotte ein. „Gehen wir? Alina? Geht
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