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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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Dörfer -, hat sie doch auch etwas Irreales, als stamme sie aus einem Film. Das Gefängnis hingegen ist
etwas sehr Reales. Es ist eine kleine Betonschachtel, und er hat kleine Schachteln so satt, ob aus Beton oder woraus sonst. Die Welt ist ein unermesslich großer Ort, ein beängstigender Ort, aber wenn er erst einmal Vietnam erlebt hat, wenn er sich seinen Ängsten gestellt hat, wird sie vielleicht nicht mehr ganz so bedrohlich sein. Wenn du erst mal erlebt hast, dass so ein Schlitzauge aus dem Hinterhalt auf dich schießt, während du dich durch den Dschungel quälst und der Brand an der Fußwunde von letzter Woche einsetzt, dann werden vielleicht nach deiner Heimkehr die Straßen der Stadt etwas erträglicher sein, nicht mehr ganz so beunruhigend. Ein Investmentbanker kann unmöglich so einschüchternd wirken wie ein Guerillakämpfer des Vietcong mit Mordlust im Blick.
    Mom dreht endlich den Kopf und starrt nicht mehr aus dem Fenster. Sie sieht jetzt ihn an und blinzelt.
    »Ich denke, ich bin so weit, wenn du möchtest«, sagt er.
    Mom nickt.
    »Ich bin auch bereit«, sagt sie. »Wie lange, meinst du, wird es dauern, nachdem ich alle Pillen genommen habe?«
    »Ich weiß nicht, Momma.«
    »Meinst du, es wird wehtun?«
    »Das weiß ich auch nicht. Aber ich glaube, du wirst einfach einschlafen.«
    »Ich frage mich, ob ich Alpträume bekomme, bevor es vorüber ist. Hoffentlich nicht. Ich hoffe, ich bekomme keine Alpträume.«
    »Du brauchst das hier nicht zu tun. Das weißt du.«
    Mom nickt, aber für Patrick sieht es so aus, als nicke sie nicht ihm zu, sondern sich selbst.
    »Ja, ich weiß«, sagt sie.
    »Okay.«

    Patrick geht durchs Zimmer ans Bett seiner Mutter und setzt sich auf die Kante. Mit viel Kraftaufwand öffnet er die orangefarbene Pillenflasche. Er kippt die Pillen in die Hand, um zu sehen, wie viele es sind. Er möchte sicher sein, dass sie reichen.
    Achtundzwanzig.
    Er schließt die Hand zum Trichter, um die Pillen wieder in die Flasche zu füllen. Bis auf drei. Immer drei auf einmal. Neunmal schlucken. Und dann noch ein letztes Mal.
    Er reicht seiner Mom die drei Pillen, und sie steckt sie in den Mund.
    Er nimmt das Glas mit Wasser. Er überlegt, ob ein Glas reichen wird. Dann reicht er es seiner Mutter. Sie lächelt, hebt es an die Lippen, nippt, legt den Kopf in den Nacken.
    Schon über zehn Prozent der Prozedur geschafft.
    Patrick schüttet die nächsten drei Pillen in die Hand.
     
     
    »Gute Nacht, Patrick«, sagt Mom und schließt die Augen.
    Patrick nimmt ihr das leere Wasserglas aus der Hand, stellt es auf den Nachttisch und sieht seine Mutter an.
    »Träum süß«, sagt er.

47
    Anfangs sind da nur die Dunkelheit und das Sirenengeheul, aber als sie die Augen öffnet und das Licht hereinlässt und die cremefarbene Zimmerdecke sieht, die ihr auf den Kopf zu fallen droht, wird Diane klar, dass sie eingeschlafen sein muss. Traumsplitter geistern ihr weiter durch den Kopf:
    Diane sitzt auf einer Couch. Ein Gesicht sieht sie an, weiß und teigig liegt es auf dem flachen Tisch neben einer goldenen Armbanduhr. Nur ein Gesicht wie eine Maske auf einem Couchtisch neben einer goldenen Uhr. Die Zeiger bewegen sich gegen den Uhrzeigersinn. Ein Klopfen an der Tür, und die Tür zerschmilzt. Der Körper des Gesichts kommt, um sich zu holen, was ihm gehört. Der Kopf ist ebenfalls da, hat aber kein Gesicht, ist nur Fleisch ohne menschliche Züge. Und ist gekommen, um sich sein Gesicht zu holen.
    Hat nichts zu bedeuten, Diane. Ist nur ein Traum. Vergiss es einfach.
    Das würde sie ja gern, aber irgendwie fühlt sie sich lausig. Ein undefinierbares Angstgefühl ist ihr auf den Magen geschlagen.
    Sie sieht auf die Uhr – neun Minuten nach sechs.
    Der Koffer, den sie gepackt hat, liegt auf dem Boden neben dem Bett. Sie muss ihn im Schlaf runtergestoßen haben.
    Träume vom Laufen.
    Als sie ein kleines Mädchen war und in der winzigen Stadt Elgin in Texas wohnte, hatte sie einen Hund, den sie
Dinosaurier nannte. Irgendwie fand sie es damals unheimlich komisch, Haustieren den Namen anderer Tiere zu geben. So hatte sie eine Katze, die sie Pferd nannte. Aber es ist Dinosaurier, der Hund, an den sie im Moment denkt. Er pflegte nämlich im Schlaf zu rennen. Er legte sich mitten im Zimmer auf den Teppich zum Schlafen auf die Seite, und alle mussten über ihn hinwegsteigen, um im Haus von einem Ort zum anderen zu gelangen. Von Zeit zu Zeit bewegte er im Schlaf seine kleinen Pfoten und bellte einmal oder zweimal oder

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