Ein Akt der Gewalt
Halbkreis und nehmen in ihrem taktischen Tanz ständig wechselnde Positionen ein. Frank überlegt angespannt, wie er Kees vom Revolver trennen kann, bevor der beschließt, ihm eine Kugel in die Stirn zu jagen. Gleichzeitig kann er Kees ansehen, dass er in Gedanken fieberhaft durchspielt, ob er davonkommen könnte, wenn er jetzt auf Frank schießt.
Aber dann hält Frank inne.
Er blickt an Kees vorbei zu den Hobart Apartments.
Er sieht überall Blut, und er sieht seine Nachbarin Kat, die bewusstlos auf der Seite liegt, direkt vor ihrer Eingangstür. Schlüssel hängen am Türknauf. Sie war nach Hause gekommen, als er wegfuhr. Als sie an ihm vorbeifuhr, winkte er ihr flüchtig zu, als sei er nur grad los, eine Flasche Milch zu kaufen. Ist sie tatsächlich die ganze Zeit dort gewesen? Er sieht in den Hof hinüber und entdeckt das Blutbad. Er schluckt.
»Rufen Sie einen Krankenwagen«, sagt er schließlich.
»Was?« Kees hält weiterhin den Revolver auf ihn gerichtet und ist noch immer wütend.
»Rufen Sie einen verdammten Krankenwagen!«
Und dann geht Frank einfach an ihm und seiner Waffe vorbei und auf Kat zu, die direkt vor ihrer Eingangstür auf der Seite liegt. Überall ist Blut.
Kees spannt den Hahn mit dem Daumen.
»Keine Bewegung, du verdam…«
Er reißt den Revolver herum und zielt auf Frank. Der verkrampft sich im Gehen, wartet auf die Kugel. Sie kommt nicht. Während er auf Kat zueilt, blickt er über die Schulter zu Kees zurück und erkennt, dass auch er das viele Blut bemerkt hat. Und Frank sieht, wie die Flammen in den Augen des Mannes erlöschen. Er weiß, dass er jetzt sicher ist. Zumindest im Augenblick. Kees wird ihm nicht in den Rücken schießen.
Frank geht zu Kat – dem winzigen, zarten, verletzten Vogel – und kniet sich auf ihrer Veranda neben sie. Sie liegt regungslos da in einem Kleid, das aussieht, als sei es einmal hellblau gewesen. Jetzt ist es rostbraun von getrocknetem Blut.
Ein Messer ragt aus ihrer Brust. Die Klinge ist vollständig in ihr vergraben, nur der brüchige Holzgriff schaut hervor.
Ihre Augen sind geöffnet, aber sie scheint ins Leere zu starren.
Er will ihren Puls fühlen. Da blinzelt sie.
»Hilfe«, flüstert sie. »Bitte, hilf … Frank.«
»Ich rufe einen Krankenwagen«, sagt er. »Hilfe ist unterwegs.«
Er sieht nach Kees. Der Polizist steht immer noch auf der Straße, den Revolver in der herunterhängenden Hand. Er steht einfach da und sieht ihn an, sieht ihn an und Kat und sieht das Blut. Aber all das nicht voller Abscheu oder Entsetzen, sondern auf eine viele schlimmere Weise – mit mäßigem Interesse.
»Sie lebt noch«, sagt Frank. »Rufen Sie den verdammten Krankenwagen.«
Kees nickt, als habe er die Aufforderung zum ersten Mal gehört, und steckt seine Waffe wieder ein.
Frank betrachtet die bedauernswerte Kat.
Der Messergriff hebt und senkt sich über ihrer Brust. Es ist kaum wahrnehmbar, aber trotzdem zu erkennen.
Frank möchte nicht zählen – allein schon bei dem Gedanken wird ihm übel -, aber er vermutet, dass mindestens ein Dutzend Mal auf sie eingestochen worden ist.
»Der Krankenwagen kommt gleich«, sagt er.
Obwohl er sich nicht sicher ist, meint Frank, ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen bemerkt zu haben.
»Ich werde nicht sterben«, flüstert sie. Es ist fast noch weniger als Flüstern. »Der Krankenwagen kommt. Ich muss nur hier liegen und warten.«
Frank nickt.
»Das stimmt«, sagt er. »Lieg nur da und warte. Der Krankenwagen kommt gleich.«
»Babyleicht«, sagt sie.
44
Als David zum ersten Mal die Nachtschicht übernahm, überraschte es ihn, was alles um vier, fünf und sechs Uhr morgens passierte. Vorher hatte er gedacht, die ersten Stunden würden die arbeitsreichsten sein – von Mitternacht bis vier vielleicht, wenn noch viele Leute unterwegs sind und trinken -, aber nein: Alles geschieht zwischen vier und sechs. Die Unheilstifter werden genau dann munter. Die Welt geht schlafen, und das Böse tritt hinaus ins Mondlicht. Cops, mit denen er gesprochen hat, sagten dasselbe – die meisten Einbrüche geschehen in diesen Stunden der Nacht.
Er schiebt sich die letzte Fritte in den Mund, als John den Krankenwagen vom Bordstein lenkt.
Sie müssen sich um eine Messerstecherei kümmern.
45
William fährt mit seinem Kombi auf den Parkplatz hinter der Carlson Canning Company. Er schiebt den Ganghebel in die Parkposition und stellt den Motor ab.
Er versteht noch immer nicht, warum ihn niemand aufgehalten hat.
Er
Weitere Kostenlose Bücher