Ein Antrag nach Mitternacht
tun würde, was sie erwartete. Lady Mary war die Frau, von der sie geglaubt hatte, dass sich Rochford für sie als Letzte erwärmen könnte. Nicht, dass mit ihr irgendetwas nicht gestimmt hätte. Ihr Ruf war tadellos, und das galt auch für ihre Herkunft.
Allerdings hätte sie nicht gedacht, dass eine so ruhige, schüchterne Frau das Interesse des Dukes wecken würde. Genau genommen war sie das völlige Gegenteil von Francesca. Auch wenn es keinen vernünftigen Grund für die Annahme gab, dass Rochford sich wieder für eine Frau von dem Typ entschied, in den er sich vor fünfzehn Jahren verliebt hatte, dachte sie dennoch, er würde sich eher von Schönheit und Lebhaftigkeit angezogen fühlen als von anderen Eigenschaften.
Aber hatte Lady Mannering nicht selbst darauf hingewiesen, dass Marys Schönheit zum Vorschein kam, sobald sie nicht länger mit starrer Miene dastand? Offenbar fühlte sich die verschlossene junge Frau in Rochfords Nähe behaglich genug, um aufzutauen. Zweifellos war er im Lauf der Jahre zu der Erkenntnis gelangt, dass es bei der Wahl einer Braut Wichtigeres gab als die körperliche Anziehung, die er als junger Mann bei Francesca verspürt hatte.
Er las Bücher und führte Korrespondenz mit Gelehrten. Es war anzunehmen, dass er gern mit einer Frau verheiratet sein würde, mit der er sich über ernste, bedeutsame Themen unterhalten konnte. Schon damals hatte sie gewusst, sie musste für den Duke zu oberflächlich sein. Inzwischen war er wohl selbst zu dieser Einsicht gelangt.
Natürlich war es noch sehr früh, und einzig weil er mehr als einmal Interesse an der jungen Dame gezeigt hatte, bedeutete das keineswegs, dass er sie deswegen gleich heiraten würde. Doch so wie Lady Mannering wusste auch Francesca nur zu gut, wie ungewöhnlich es für Rochford war, sich mit irgendeiner jungen Frau zu treffen. Er mied Klatsch und Tratsch wie die Pest, und da er einschätzen konnte, welchen hohen Wert er auf dem Heiratsmarkt besaß, war er viel zu sehr Gentleman, als dass er der einen oder anderen jungen Dame falsche Hoffnungen hätte machen wollen.
Dass er sich mit einer heiratsfähigen jungen Frau in der Öffentlichkeit zeigte, deutete auf ein großes Interesse an ihr hin. Und da er sich erst ein paar Tage zuvor ausgiebig mit ihr auf Francescas Fest unterhalten hatte, nährte das die Spekulationen. Rochford war in dieser Beziehung genauso wenig naiv wie jeder andere, und doch hatte er es gemacht.
Doch was bei jedem anderen Mann lediglich Ausdruck eines gewissen Interesses gewesen wäre, erlangte bei ihm eine spezielle Bedeutung. Wenn er jetzt noch auf ein oder zwei Bällen mit ihr tanzte, würde die Gerüchteküche überkochen. Natürlich war Francesca gegenüber Lady Mannering im Vorteil, wusste sie doch, dass der Duke auf der Suche nach einer Ehefrau war. Daher war es für sie keineswegs so ungewöhnlich, dass er mit den in Erwägung gezogenen Kandidatinnen ein wenig Zeit verbrachte, um sie besser kennenzulernen. Allerdings war ihr nur zu schmerzlich klar, dass jegliches Engagement von seiner Seite unweigerlich zu einer Heirat führen würde. Und wenn er Lady Mary in seiner Kutsche mitnahm, brachte er ihr erheblich mehr Aufmerksamkeit entgegen als den anderen Auserwählten. Aus Francescas Sicht gab es für sein Verhalten nur den einen Grund, dass er ernsthaft in Erwägung zog, Lady Mary zu ehelichen.
Sie wusste, sie sollte sich für ihn freuen, weil ihre Bemühungen Früchte trugen. Das war genau das, was sie wollte, weil sie so wiedergutmachen konnte, was sie ihm angetan hatte. Sie wollte, dass er eine Frau fand, der er sein Herz schenkte, damit er glücklich wurde.
Warum lag dann aber diese bleierne Schwere auf ihrer Brust, die ihr das Atmen schwer machte? Und warum nahmen die Tränen in ihren Augen ihr die Sicht auf die Straße vor dem Haus?
Am folgenden Nachmittag saß Francesca an ihrem Schreibtisch und öffnete die Einladungen, die man ihr geschickt hatte. Mitten beim Lesen dieser zeigte sich Fenton.
„Seine Gnaden, der Duke of Rochford, ist hier.“
Sie sprang so hastig auf, dass sie sich dabei das Knie schmerzhaft anstieß. Seit dem von ihr veranstalteten Fest waren vier Tage vergangen, und nachdem Callie und Lady Mannering ihr am Vortag einen Besuch abgestattet hatten, war sie davon überzeugt, Rochford von nun an wieder so selten zu sehen, wie es auch in den letzten Jahren der Fall war.
Und doch befand er sich jetzt hier.
Ihre Wangen begannen zu glühen, und sie verspürte einen
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