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Ein Antrag nach Mitternacht

Ein Antrag nach Mitternacht

Titel: Ein Antrag nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Candace Camp
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all den Jahren geführt hatten, war der eine oder andere Flirt erkennbar gewesen. Dennoch hatte er nie versucht, sie zu verführen – weder sie noch eine andere Dame, von der sie wusste. Oh, sie war nicht so naiv zu glauben, dass er niemals eine Geliebte gehabt hätte. Was Lady Daphne anging, war sie einem Irrtum erlegen, trotzdem war bei einem Gentleman von seinem Alter und Stand nicht anzunehmen, dass es in seinem Leben nie eine hübsche Gespielin gegeben hätte – vielleicht eine Ballerina, eine Opernsängerin, eine Schauspielerin oder eine professionelle Kurtisane. Bei diesen Frauen hätte er sich ganz sicher so verhalten wie bei ihr an diesem Abend.
    Bei Frauen von edler Geburt sahen die Regeln dagegen ganz anders aus. Ein Gentleman warb um eine Dame und heiratete sie dann, aber er verführte sie nicht spätabends in ihrem Haus. Jedenfalls galt das für jeden Gentleman vom Rang eines Duke of Rochford.
    Andererseits, so musste sie sich eingestehen, hätte eine Dame auch nicht mitten in der Nacht die Haustür geöffnet, um einen Gentleman einzulassen. Und erst recht hätte sie sich nicht an der Dienerschaft vorbeigeschlichen und sich mit ihm in einem Zimmer eingeschlossen.
    Zu allem Überfluss hatte sie in seiner Gegenwart auch noch Brandy getrunken – ja, sie war sogar diejenige gewesen, die das Getränk angeboten hatte. Ihr schlimmster Fehler von allen war aber, dass sie gedankenlos zur Tür geeilt war und ihn in ihrem Morgenmantel empfangen hatte, unter dem sie nichts weiter als ihre Unterwäsche trug. Jedem Mann hätte man den Gedanken nachsehen müssen, dass sie nichts gegen einen Verführungsversuch einwenden würde.
    Wenn sie es aus diesem Blickwinkel betrachtete, dann genügte das, um sie vor Verlegenheit zusammenzucken zu lassen. Bei Witwen ging man oftmals davon aus, dass sie es mit der Moral nicht ganz so genau nahmen wie eine Jungfrau. Immerhin kannten sie sich mit den Dingen auch weit besser aus. Witwen standen nicht unablässig unter Beobachtung, und wenn eine Frau während ihrer Ehejahre kinderlos geblieben war, was auf Francesca ja zutraf, dann war die Gefahr geringer, dass sie durch ein uneheliches Kind einen Skandal auslöste. Außerdem war es in der Gesellschaft für eine verheiratete Frau keineswegs ungewöhnlich, dass sie die eine oder andere Affäre hatte. Und solange sie dabei diskret vorging, musste sie nicht fürchten, vor den anderen bloßgestellt zu werden.
    Francesca jedoch hatte stets größte Sorgfalt walten lassen, niemandem auch nur den geringsten Anlass zu der Vermutung zu liefern, sie könne es mit der Moral nicht so genau nehmen.
    Was aber hatte sie dann dazu gebracht, sich so gehen zu lassen? War Rochford aufgrund ihrer Kleidung davon ausgegangen, dass sie nichts dagegen hatte, von ihm verführt zu werden, ja, dass sie ihn sogar regelrecht dazu aufgefordert hatte?
    Wie sollte sie ihm je wieder unter die Augen treten, wenn sie ihn auf diesen Gedanken gebracht hatte?
    Allerdings zog das eine ganz andere Frage nach sich: Wenn er geglaubt hatte, sie wolle verführt werden, warum hatte er dann so abrupt aufgehört? Sie war sich sicher, von ihrer Seite keine Andeutung gemacht zu haben, sie sei dazu bereit. Doch die unweigerliche Schlussfolgerung war der demütigendste Gedanke überhaupt: Er hatte das Interesse an ihr verloren!
    Womöglich verspürte er nicht die gleiche Begeisterung wie sie, oder ihm war sehr schnell ihre Gefühlskälte aufgefallen, über die sich Andrew stets so aufgeregt hatte. Tränen stiegen ihr in die Augen. Vor langer Zeit schon hatte sie aufgehört, sich die Enttäuschung ihres Ehemanns zu Herzen zu nehmen. Ganz im Gegenteil, sie war sogar froh, als sie bemerkte, dass er sie deswegen immer seltener in ihrem Bett aufsuchte. Selbstverständlich war es nicht leicht, zu wissen, dass sie anscheinend weniger wert war als andere Frauen, allerdings hatte Andrews Enttäuschung ihr eine Menge Kummer erspart.
    Doch als sie jetzt darüber nachdachte, dass auch Rochford ihre Kälte wahrgenommen haben könnte, da wollte sie einfach wieder weinen. Als ein Tag nach dem anderen verstrich, ohne dass sie ihn sah, da wuchs in ihr die Überzeugung, dass er aus dem gleichen Grund fernblieb, der ihn dazu veranlasst hatte, seine Küsse abzubrechen und wegzugehen.
    Sie wusste, sie sollte sich deswegen nicht so zurückgewiesen vorkommen. Selbst wenn Rochford geblieben wäre, hätte sie ihn nicht mit in ihr Bett genommen – ganz sicher nicht. Sie wollte keine Affäre anfangen, nicht

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